Die schweizerische Flüchtlingspolitik ist Gegenstand vieler Publikationen und war hierzulande schon mehrmals Auslöser für hitzige Debatten. Im Schatten dieser «grossen Geschichte» stehen individuelle Erlebnisse von Betroffenen, ihren Helfern und Verfolgern. Dank der Aufarbeitung des «Falles Grüninger» sind die Geschehnisse an der Ostschweizer Grenze während der Kriegsjahre gut dokumentiert, was von den Vorgängen in den Schweizer Südtälern nicht behauptet werden kann. Ende 2024 ist im Verlag Hier und Jetzt ein Werk zu Flüchtlingsbewegungen im Fextal und im Bergell erschienen und hat Omanut dazu angeregt, in einer speziellen Reihe mit Vorträgen, Buch- und Filmpräsentationen sowie Ausflügen bisher kaum beleuchtete Aspekte der Schweizer Flüchtlingsgeschichte aufzuzeigen. Sie soll in einer Zeit, in der Migration ein Thema der Stunde ist, zum Nachdenken und Mitfühlen anregen.
Omanut hat vom inzwischen aufgelösten Verein für jüdische Kultur und Wissenschaft die schöne Aufgabe übernommen, den Tag des jüdischen Buches jeweils am ersten Sonntag im März zu einem übergeordneten Thema zu veranstalten. Aufgrund der anhaltenden Verunsicherung im Zusammenhang mit der Lage im Nahen Osten und deren Auswirkungen, die bis nach Zürich ausstrahlen, hat sich Omanut für Erzählungen über jüdische Katastrophen entschieden. Zu Beginn soll Arnold Zweigs Roman «De Vriendt kehrt heim», der die Ermordung des jüdischen Dichters, Juristen und Aktivisten Jacob Israël de Haan mit dem arabischen Aufstand von 1929 verbindet, vorgestellt werden. Das 1932 erschienene Buch legt nicht nur die innerjüdischen Spannungen während der Mandatszeit der Briten, sondern auch die Zerrissenheit eines jüdischen Intellektuellen von damals offen. Nur ein Jahr später erschien Heinz Liepmans Roman «Das Vaterland», der auf dramatische Weise die innert kürzester Zeit veränderte politische Lage in Deutschland nach der Machter-greifung der Nationalsozialisten beschreibt. Die sich bereits in diesem Text abzeichnende Vernichtung der Juden wird am Tag des jüdischen Buches mittels eines eindrücklichen und intimen Zeugnisses der in Israel lebenden Lyrikerin und Künstlerin Yvonne Livay-Cholewa beleuchtet. Die soziopolitischen Ver-werfungen nach dem Massaker vom 7. Oktober sind noch keineswegs abzuschätzen. Aber jüdischer Humor hilft erfahrungsgemäss, Schrecknisse auf Distanz zu halten, weshalb ein Programm von Alexander Estis und Alexander Paperny zu «Antisemitismus und andere jüdische Zores» den Tag abrundet. Und am Vorabend soll als Prolog Uri Jitzchak Katz’ wortgewaltiges Werk «Aus dem Nichts kommt die Flut» (2024) aufzeigen, was das Erzählen für ein wunder- und heilsames Mittel ist – auch gegen Katastrophen.
Wie bleiben wir verwurzelt, wenn alles ins Wanken gerät? Die Frage hat die französische Philosophin Simone Weil (1909–1943) zeitlebens umgetrieben. In ihren Schriften hat sich Simone Weil intensiv mit den Mechanismen der Macht, mit Formen der Gewalt sowie der Verführungskraft von Ideologien auseinandergesetzt. In ihrem Werk blickt sie immer wieder in die gewaltsame Vergangenheit, um dadurch die Gegenwart zu erhellen. In Essays wie „Die Ilias oder das Poem der Gewalt“, den Simone Weil Ende der dreissiger Jahre verfasste, entwirft sie mit gnadenloser Klarheit das Szenario des drohenden Terrors. Eine szenische Lesung von Sascha Ö. Soydan in der Regie von Nicole Oder und mit Musik von Heiko Schnurpel lassen das Porträt einer wachsamen Zeitzeugin und kontroversen Denkerin entstehen, die ihr kurzes Leben dem pazifistischen Widerstand und dem politischen Kampf gegen den Faschismus gewidmet hat. «Weil jetzt!» zeigt, wie aktuell die Gedanken Simone Weils heute sind.
Noemi Gradwohl war eine preisgekrönte Moderatorin und Sprecherin. Bei der ersten Ausgabe der SEFERIA verantwortete sie mit viel Charme und Souveränität das Format «Open Mike». In Erinnerung an die viel zu früh verstorbene Radiojournalistin und Schauspielerin, welche sich für die Theater- und Kunstwelt genauso interessierte wie für Kinderliteratur, haben wir eine vielfältige Hommage zusammengestellt.
Shifra Kupermans erster Roman spielt in Basel und erzählt die Geschichte einer Dreiecksbeziehung zwischen zwei Männern und einer Frau, jeder mit seinen eigenen Gedanken, Sehnsüchten und Zielen. Die aus Israel und der Schweiz stammenden Protagonisten sprechen untereinander Deutsch – in einem auf Hebräisch verfassten Text. «Rikud ha-Aviv» ist ein literarisch-philosophischer Tanz zwischen Sprachen und Ländern, zwischen Moderne und Antike, zwischen platonischer Liebe und Erotik. Das Gespräch zwischen drei Personen nimmt die Grundkonstellation und die Vielschichtigkeit des Romans auf: Shifra Kuperman ist nicht nur Autorin, sondern auch Dozentin für Jiddisch; Judith Müller ist Literaturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt moderne hebräische Literatur und Oded Fluss ist Bibliothekar und schreibt Texte rund um das jüdische Buch.
Die Gedichte von Agi Mishol, 1946 in Transsilvanien geboren, sind sehr irdisch, sehr menschlich und ungeschminkt; sie sind im Alltag der Dichterin verankert, die in einem Moschaw in der Nähe von Gedera lebt. Flora und Fauna, der Anbau von Persimonen und Granatäpfeln bestimmen ihre Lyrik, die immer wieder die ethische Position der Verantwortung verhandelt. Ob sie über einen umgepflanzten Olivenbaum schreibt, der für die Entwurzelung der Palästinenser steht, oder von einer zwanzigjährigen Schahidin, die „unterm weiten Kleid schwanger mit Sprengstoff“ geht. Ihre oft humorvollen Gedichte machen trotzdem Hoffnung, denn auch wenn es „unter der Sonne nichts Neues gibt / über ihr vielleicht schon“. Ihren empathischen Blick auf die Welt hat die Übersetzerin Anne Birkenhauer feinfühlig eingefangen. Die Übertragung einer Auswahl von Agi Mishols Lyrik ist dieses Jahr unter dem Titel «Gedicht für den unvollkommenen Menschen» im Hanser Verlag erschienen.
Promoviert wurde Lili Körber Mitte der 1920er Jahre mit einer Arbeit über die Lyrik Franz Werfels. 1930 reiste sie mit Anna Seghers und Johannes R. Becher aus Interesse an den sowjetischen Verhältnissen nach Russland, wo sie 1897 in Moskau als Tochter des aus dem galizischen Tarnow stammenden Kaufmanns Ignaz Körber und dessen polnischer Ehefrau Jeanette geboren wurde. Ihre Erlebnisse beschrieb sie im Buch «Eine Frau erlebt den roten Alltag», das 1932 noch in Deutschland erscheinen konnte. Die folgenden Ereignisse fanden Eingang in die Schrift «Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland», die 1934 bei Richard Lany in Wien publiziert wurde. Nachdem die österreichische Ausgabe 1935 auf den Index kam, erfolgte ein Nachdruck im Verlag der Genossenschaftsbuchhandlung Zürich. Nach dem sogenannten Anschluss floh Lili Körber über Zürich nach Paris. Trotz Neuausgaben einiger ihrer Bücher ist die 1982 im amerikanischen Exil verstorbene Autorin nahezu unbekannt geblieben. Immerhin hat der Wiener Verlag Brandstätter 1988 «Eine Österreicherin erlebt den Anschluss» herausgegeben. Die Vorlage war 1938 im Berner Volksrecht unter dem Pseudonym Agnes Muth als Fortsetzungsroman erschienen.
«Wiedergutmachung» - ein papierenes Wort für die Fortsetzung der Entrechtung der Juden mit anderen Mitteln. So erlebt Nadine Olonetzky den Versuch ihres Vaters, für die erfolgte Enteignung und Inhaftierung, die er selbst und seine Familie erlitt, Entschädigung zu erhalten. Sie erfährt von diesen Vorgängen der Nachkriegszeit erst lange nach dem Ableben des Vaters, was die immer mehr Raum einnehmenden Recherchen umso schmerzlicher und wichtiger machten. Viele Fragen bleiben offen. Und so wie die Gartenpflanzen in den Intermezzi des Buches «Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist» (S. Fischer Verlag, 2024) erblühen und verwelken, verrinnt die Zeit und mit ihr das Wissen um die Untaten. Gut, dass sich Nadine Olonetzky auf behutsame Weise den Ereignissen annähert und die Dinge beim Namen nennt.
Von Dana von Suffrins erfrischendem Humor, ihrer menschlichen Klugheit und feinen Ironie kann man nicht genug bekommen - und auch nicht von ihrem Figurenarsenal: ein Vater, eine Mutter und zwei Schwestern. Nach der Präsentation ihres Erstlings «Otto» (Kiepenheuer & Witsch, 2019) ist die Autorin erneut bei Omanut zu Gast und wird im Gespräch mit dem ZEIT-Redaktor Sascha Chaimowicz neben ihrem neusten Roman «Nochmal von vorne» (Kiepenheuer & Witsch, 2024) ihre eben erschienene Anthologie «Wir schon wieder» (Rowohlt Verlag, 2024) vorstellen. In Dana von Suffrins Beitrag zu den von ihr gesammelten «16 jüdischen Erzählungen» steht wiederum der aus Israel nach Deutschland übersiedelte Vater im Mittelpunkt und das Ende ist unheilvoll. Das Vorwort nimmt die düstere Stimmung bereits vorweg. Darin schreibt Dana von Suffrin, dass das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden schon immer kompliziert, nach dem 7. Oktober gar neurotisch ist und «zuletzt oszilliert es nicht selten zwischen Enttäuschung und Verrat». Es geht an diesem Abend also auch um Zuschreibung von Identität und Jüdisch-Sein in Deutschland heute.
Seit der Antike wurden das Exil und die Diaspora der Juden im jüdischen Denken – und auch im christlichen – theologisch und politisch unterschiedlich interpretiert. Tatsächlich ist die Terminologie von Golah, Geulah selbst von religiöser Bedeutung: Leben Juden ausserhalb des Landes Israel im Exil oder einfach in der Diaspora? Befindet sich das Judentum in einem Zustand des Exils, wenn es ausserhalb des Landes und ohne den Jerusalemer Tempel praktiziert wird? Für einige jüdische Denker ist der Zionismus ein Höhepunkt, eine Erlösung, die die Diaspora negiert. Für andere hingegen ist der politische Zionismus ein ketzerischer Verstoss gegen Gottes Versprechen, die Juden zu erlösen. Im Laufe der Geschichte entwickelten jüdische Denker in zum Teil kontroversen Debatten Positionen zu Exil und Diaspora. Dazu gehörten mittelalterliche Messianiker und rabbinische Rechtsautoritäten, chassidische Denker, europäische und arabische Juden, Assimilationisten, Zionisten und Sozialisten, religiöse Nationalisten und Antizionisten.
Der in Israel geborene Komponist von elektronischer Musik Janiv Oron tritt als Performer in verschiedenen Formationen auf. Mit seinem Bruder Eres ist er seit über 20 Jahren sehr erfolgreich als DJ-Duo Goldfinger Brothers unterwegs. Eine Familiengeschichte ist auch sein neustes Werk Different Names, welches Omanut in Auftrag gegeben hat. Eine biografisch inspirierte Arbeit, deren klangliche Abstraktion sich direkt in der Struktur und der Atmosphäre der Musik niederschlägt: Feldaufnahmen, O-Töne seiner Familie, musikalisch arrangierte Versatzstücke, Ersatzteile eines Panzers, ein Spion und eine Reiseroute von Marokko nach Israel verschmelzen in der Komposition. Bei Janiv Oron schichten sich die Klänge und blitzen die Harmonien unter straffen, digitalen Schürfungen hervor. Mit Buchla Easel Synth-Arrangements, Drum-Verzerrungen und Sub-Sounds schafft er eine zeitgenössische Ambient-Sphäre.
Als der Bariton Marko Rothmüller, der 1932 in Zagreb mit dem Autor Hinko Gottlieb und dem Kaufmann David Spitzer den Kulturverein Omanut gegründet hatte, 1936 ein Engagement ans Zürcher Stadttheater erhielt, konnten seine kroatischen Freunde ihren Aktivitäten noch nachgehen.
In Wien gab es den Mittwochskreis um Sigmund Freud; in Zürich betreibt Omanut die Mittwochsbeijz, die von vielseitig begabten Mitgliedern belebt wird. Der Germanist und Schauspieler Wolfram Schneider-Lastin wird das von ihm herausgegebene, soeben im Rotpunktverlag erschienene Buch «Fragen hätte ich noch. Geschichten von unseren Grosseltern» präsentieren. Aus der Publikation werden die Autoren Ruth Werfel (Kulturjournalistin, Lyrikerin und Exilspezialistin), André Seidenberg (Arzt) und Oded Fluss (Archivar und ICZ-Bibliothekar) ihre Texte vortragen. Letzterer wird nach einem wienerisch inspirierten Imbiss zu Karl Kraus überleiten, so dass die abgesagte Lesung zum 150. Geburtstag des bedeutenden Satirikers mit dem Schauspieler Stephan Witschi doch noch stattfinden kann. Für einmal werden Fackeln die Beijz erhellen und Totenmasken alle bösen Geister fernhalten. Das Makabre, der Witz und die Gemütlichkeit werden an diesem Abend Wien nach Zürich bringen – und damit einen Kreis schliessen.
In Wien gab es den Mittwochskreis um Sigmund Freud; in Zürich betreibt Omanut die Mittwochsbeijz, die von vielseitig begabten Mitgliedern belebt wird. Der Germanist und Schauspieler Wolfram Schneider-Lastin wird das von ihm herausgegebene, soeben im Rotpunktverlag erschienene Buch «Fragen hätte ich noch. Geschichten von unseren Grosseltern» präsentieren. Aus der Publikation werden die Autoren Ruth Werfel (Kulturjournalistin, Lyrikerin und Exilspezialistin), André Seidenberg (Arzt) und Oded Fluss (Archivar und ICZ-Bibliothekar) ihre Texte vortragen. Letzterer wird nach einem wienerisch inspirierten Imbiss zu Karl Kraus überleiten, so dass die abgesagte Lesung zum 150. Geburtstag des bedeutenden Satirikers mit dem Schauspieler Stephan Witschi doch noch stattfinden kann. Für einmal werden Fackeln die Beijz erhellen und Totenmasken alle bösen Geister fernhalten. Das Makabre, der Witz und die Gemütlichkeit werden an diesem Abend Wien nach Zürich bringen – und damit einen Kreis schliessen.
Der Arzt und Autor Hans Keilson bezeichnete die Verwandtschaft zwischen Psychoanalyse und Literatur, die sein Leben auf weite Strecken bestimmte, als «Zwillingspferde». Beide hätten zum Ziel, «menschliche Gefühle aufzudecken». Ganz ähnlich formulierte es Marcel Reich-Ranicki, der Medizin und Literatur als «Geschwister» bezeichnete, die beide «gegen die Vergänglichkeit rebellieren». Hans Keilson, der 2011 mit 101 Jahren verstarb, ist dem Tod tatsächlich sehr lange von der Schippe gesprungen. Dennoch war dieser in seinem Leben allgegenwärtig: Mit dem Aufstieg Hitlers war Keilsons Leben und das seiner Familie bedroht. Auch wenn ihm und seinen Eltern die Emigration in die Niederlande gelang, überlebte nur er die Besetzung des Landes durch die Nationalsozialisten. Bis an sein Lebensende warf er sich vor, dass er nicht auch für seine betagten Eltern eine Unterschlupfadresse besorgen konnte. Nach dem Krieg verblieb er zwar in den Niederlanden, wo er als Psychoanalytiker wirkte und u.a. ein Standardwerk zur sequentiellen Traumatisierung bei Kindern schrieb, doch zog ihn die deutsche Kultur weiterhin an.
Carte Blanche für Mikki Levy-Strasser! Der Bühnenbildner und Kulturveranstalter bespielt zusammen mit dem Choreographen Tomer Zirkilevich einen Tag lang die Beijz und gestaltet einen Raum des Dialogs mit Kunst, Canapés, Drinks und Musik! Alle Communities sind willkommen, von queer bis nicht-queer, von alt bis jung!
Der in Berlin lebende israelische Künstler Ariel Efraim Ashbel geht bei seiner künstlerischen Praxis oft von jüdischen Traditionen aus: In seinem erfolgreichen Stück «The Names / שמות» nimmt er die wöchentliche Tora-Lesung als Ausgangspunkt für eine Performance, in der traditionelle jemenitische Sounds, Arnold Schönbergs Oper «Moses und Aron» sowie popkulturelle Versatzstücke zu einem mitreissenden Ganzen arrangiert werden. Zu Ashbels Team gehört auch der Autor und Philosoph Senthuran Varatharajah, mit dem er neben der Zürcher Adaption von «The Names / שמות» im Rahmen des Festivals «Drop Out» (www.gessnerallee.ch) für Omanut einen exklusiven Abend in der «Beijz» gestalten wird. Ein gemeinsames Begrüssen des Schabbats soll die Bedeutung der kollektiven Feier als stetig erneuertes Versprechen auf Verbindlichkeit und Gemeinschaft, auf Offenheit und Inklusion bekräftigen - sinnlich und intellektuell.
Wir probieren noch stets verschiedene Möglichkeiten aus, eine lebendige Beijz-Kultur zu gestalten. Aus dem Publikum kam der Wunsch, die Beijz als Co-Working-Space anzubieten. Leider ist dies aufgrund unserer Mietver-hältnisse nicht regelmässig möglich. Einen Versuch ist diese Idee jedoch auf jeden Fall wert. Am 19. Juni öffnen wir den Raum als Arbeitsplatz. Natürlich ist die Bar der Beijz den ganzen Tag bedient; gerne bewirten wir alle Lern- und Studierwilligen mit verschiedenen Getränken und kleinen Speisen.
Mit Willy Guggenheim, alias Varlin (1900-1977), und mit Miriam Cahn sind gleich zwei international renommierte jüdische Kunstschaffende von ihren jeweiligen Geburtsstätten Zürich und Basel ins Bergell gezogen. Das Tal ist abgeschieden und offen zugleich, denn es verbindet die Schweiz mit Italien und hat vielleicht gerade deshalb so viele Künstler und Künstlerinnen hervorgebracht und angezogen.
In Anlehnung an Omri Boehms «Republik Haifa» und seiner Forderung nach gleichen Rechten für alle Bürgerinnen und Bürger Israels will Omanut mit dem «Salon Haifa» Menschen unterschiedlichster Herkunft zum Gespräch bitten. In verschiedenen Formaten soll darüber debattiert werden, wie wir heute hier in der Schweiz und in Europa zusammenleben wollen. Dabei soll diversen Ansichten Raum gegeben werden, die auch Unsicherheiten und Ambivalenzen einschliessen können, denn zur Erkenntnis gelangt man nur über fragen, zweifeln, irren und überdenken. Und zur Menschlichkeit nur über Empathie, Neugierde und Offenheit. Dafür wollen wir einstehen - gerne mit Ihnen!
Am 4. September 1897, anlässlich des 64. Geburtstags seines Vaters, schrieb der junge, noch namenlose Karl Kraus einen Brief an seinen älteren Bruder Richard, der eine unbekannte Seite des später gefürchteten und einflussreichen Kritikers und Schriftstellers zeigt. Seinem Bruder klagt er sinngemäss, dass der Vater keinen gebildeten Sohn wolle. Anhand dieses emotionalen Schreibens soll der Mensch Karl Kraus beleuchtet werden: Im Mittelpunkt stehen dabei das Verhältnis zu seiner Familie, insbesondere zu seinem Vater, und zu seiner jüdischen Herkunft sowie seine Haltung zur zionistischen Bewegung, deren Vertreter vergeblich um ihn warben.
Wir sind jeweils an den letzten zwei Mittwochen des Monats von 10 Uhr bis 19 oder 22 Uhr geöffnet, je nachdem, ob nach der Apéro-Zeit noch ein kultureller Anlass folgt. Es empfiehlt sich, unsere Website vorab zu konsultieren: www.omanut.ch/beijz. Wir probieren laufend neue Dinge aus, doch wollen wir immer neben einem kleinen Frühstücksangebot ein einfaches Mittagsmenu anbieten: Am 22. Mai wird der mit uns befreundete Galerist Stephan Witschi Risotto kochen.
Ein frustrierter Auftragsfilmer verliebt sich in eine Klezmer-Klarinettistin und begibt sich mit ihr auf die Suche nach einer beinahe verschwundenen jüdischen Musiktradition. Im Länderdreieck Ukraine- Rumänien-Moldawien, auf welchem sich das einstige «Jiddischland» erstreckte, finden die beiden jüdischen Argentinier bei lokalen Bands Spuren der einst blühenden Klezmer-Kultur. Auf diese Weise dokumentieren Leandro Koch und Paloma Schachman, die sich im Film selber spielen und gleichzeitig Regie führen, die letzten Bandmitglieder der legendären Técsői Band und andere wunderbare Roma Musiker, die das Erbe des Klezmers pflegen.
Kafkas «Brief an den Vater», 1919 höchst wortkräftig geschrieben, aber nie abgeschickt, sondern erst 1952 veröffentlicht, ist ein ebenso bemerkenswertes wie schwieriges Dokument voller Ambivalenzen: Es ist autobiographisch und zugleich literarisch, klärend und zugleich irreführend, verteidigend und zugleich angriffig, aufrichtig und zugleich täuschend. Während es meist vorschnell als sicheres Zeugnis zu Kafkas Biographie zitiert wird, handelt es sich aber tatsächlich um eine literarisch und rhetorisch äusserst gekonnte Selbsterfindung. Wie das Kafka gelang, wird mit Kommentaren ebenso wie mit Auszügen aus dem Brief vor Augen geführt.
Am 4. September 1897, anlässlich des 64. Geburtstags seines Vaters, schrieb der junge, noch namenlose Karl Kraus einen Brief an seinen älteren Bruder Richard, der eine unbekannte Seite des später gefürchteten und einflussreichen Kritikers und Schriftstellers zeigt. Seinem Bruder klagt er sinngemäss, dass der Vater keinen gebildeten Sohn wolle. Anhand dieses emotionalen Schreibens soll der Mensch Karl Kraus beleuchtet werden: Im Mittelpunkt stehen dabei das Verhältnis zu seiner Familie, insbesondere zu seinem Vater, und zu seiner jüdischen Herkunft sowie seine Haltung zur zionistischen Bewegung, deren Vertreter vergeblich um ihn warben.
Als Irit Sommer 2016 ihren Salon in Zürich eröffnete, war sie keine Unbekannte, sondern eine der führenden Galeristinnen Israels. In Tel Aviv besteht ihre Sommer Gallery seit 1999 und betreut international erfolgreiche Künstler und Künstlerinnen wie Yael Bartana, Guy Ben Ner, Rineke Dijkstra und Ugo Rondinone. Das Gespräch mit Irit Sommer wird die Kulturjournalistin Susanna Koeberle in der aktuellen Ausstellung «Now» der in Jerusalem geborenen Künstlerin Tamar Harpaz führen. Die Installation «Now» verwendet Haushaltsgegenstände, Licht und Ton, welche die Beziehung der Betrachtenden zu alltäglichen Objekten und dem häuslichen Raum herausfordern. Omanut hat bereits mehrfach Kunstschaffende vorgestellt, die von der Sommer Gallery vertreten werden: Marion Baruch liegt sowohl Irit Sommer als auch Susanna Koeberle besonders am Herzen.
Durch die Ausstellung «Close-Up. Eine Schweizer Filmgeschichte» im Landesmuseum Zürich wird Martin Dreyfus führen. Sein Wissen über die komplexen Befindlichkeiten jüdischer Emigranten und Emigrantinnen in der Schweiz der 30er und 40er Jahre gibt der informativen Schau über 100 Jahre Praesens-Film eine zusätzliche Tiefe. Zu der Gruppe eingewanderter Kulturschaffender gehörte neben dem Ingenieur und Filmproduzenten Lazar Wechsler auch der Regisseur und Omanut-Gründervater Leopold Lindtberg. Ihre Zusammenarbeit ist legendär. Zu den Filmen, welche die beiden zur «geistigen Landesverteidigung» beisteuerten, gehört auch der 1941, also im Gründungsjahr von Omanut gedrehte «Landammann Stauffacher».
Zeruya Shalevs Debütroman verstörte bei seinem Erscheinen 1993 die israelische Leserschaft durch seine traumhaft und grotesk erzählte Innensicht einer jungen Frau und Mutter. 30 Jahre später kann sich nun auch das deutschsprachige Publikum eine Meinung zu diesem taumelnden Sprachwerk machen, das in der sorgfältigen Übersetzung von Anne Birkenhauer soeben im Berlin Verlag erschienen ist. Der Roman liest sich wie eine erweiterte Fassung von Jakob van Hoddis’ expressionistischem Gedicht «Weltende». Bei ihm fallen Eisenbahnen von den Brücken, bei Zeruya Shalev Vögel vom Himmel. Gleichzeitig birgt dieses Werk die Ursprünge ihres späteren literarischen Schaffens und ist erschreckend aktuell. Die Themen Liebe, Familie, Lust und Leid sowie Shalevs reiche Sprache sind schon da, erscheinen hier aber als Klagegesang einer rebellischen Protagonistin. Diese widersetzt sich den Erwartungen an eine Mutter, Geliebte und Ehefrau, während sie an den gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen zerbricht und ihren Schmerz herausschreit.
Guy Ben Ner, 1969 in Ramat Gan geboren, ist ein vielschichtiger und subversiver Künstler. Sein Medium ist der Film, dessen Gesetze er ganz genau kennt und dessen Ahnen er zitiert. So lernt man ihn im Laufe der Ausstellung als einen Buster Keaton des frühen 21. Jahrhunderts kennen, der mit grosser Konzentration den Ast absägt, auf dem er sitzt. Als Protagonist in seinen eigenen Filmen bindet er zudem seine Familienmitglieder in seine Arbeiten mit ein, allen voran seine Kinder. Durch das Spiel mit den Parametern des Heimvideos lässt er den doppelten Boden der vermeintlichen Realität sichtbar werden, aber auch ihre Komik und Konstruiertheit. So zieht die Familie in «Stealing Beauty» (2007) realiter in eine Ikea Filiale ein und lässt sich dort buchstäblich häuslich nieder. Ausgehend vom Satz «Honey, I’m home», spielen Vater, Mutter und Kinder ein normal anmutendes Familienleben nach und zwar solange, bis sie des Platzes verwiesen werden, um dann die Aktion umstandslos in einer anderen Filiale fortzusetzen. Wer sich einmal mit «Stealing Beauty» beschäftigt hat, wird nie wieder die inszenierten Lebenswelten einer Möbelausstellung durchwandern können, ohne das Gespenst der Familie Ner auf dem Sofa sitzen und über Marx diskutieren, im Bett liegen oder am Frühstückstisch streiten zu sehen.
Das Konzert mit Ilya Gringolts (Violine), Lawrence Power (Viola) und Nicolas Altstaedt (Violoncello) erkundet Kammermusikwerke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Während Arnold Schönberg in seinem Streichtrio die Musik bis zur akustischen Schmerzgrenze trieb, blieben Frank Martin und Bohuslav Martinů einem harmonischen Ideal treu. Gideon Klein bewegte sich dazwischen: Sein letztes, in Theresienstadt geschriebenes Werk, wurde bei Omanut bereits vergangenen Oktober präsentiert. Nun erklingt dieses Streichtrio, in dem der 1919 in Prag geborene Komponist auf mährische Volkslieder zurückgriff, in exzellenter Besetzung im Rahmen des Mizmorim Kammermusik Festivals, das heuer sein 10-jähriges Jubiläum feiert.
Chantal Akerman war wohl eine der ungewöhnlichsten Filmemacherinnen ihrer Zeit. Nicht zuletzt, weil sie als Frau den Kamerablick radikal veränderte und weil sie als Tochter polnisch-jüdischer Holocaust-Überlebender in den westlichen Metropolen keine Heimat, sondern ein permanentes Provisorium sah.
Die russische Revolution von 1917 hatte grossen Einfluss auf die Geschlechterbeziehung und förderte die Gleichstellung von Mann und Frau. Der berühmteste sowjetische Spielfilm der 1920er Jahre, der das populäre Konzept der freien Liebe propagiert, ist «Bett und Sofa» (1927) des Regisseurs Abram Room nach dem Drehbuch des Kritikers und Schriftstellers Viktor Schklowski. Darin wird das Verhältnis einer Frau – als reales Vorbild diente die ausgebildete Architektin Lilja Brik, die Geliebte des Dichters Wladimir Majakowski - zu zwei Männern beleuchtet. Sie verlässt letztlich als Schwangere beide und übernimmt die Verantwortung für sich und ihr Kind.
Die Massaker der Hamas an der israelischen Zivilbevölkerung haben den Philosophen Omri Boehm tief erschüttert. Gleichzeitig denkt er weiter über die Zukunft eines Zusammenlebens zwischen Israelis und Palästinensern nach. Wer ihm vorhält, seine Ideen seien utopisch, dem gibt er zu bedenken, dass die bisherige Praxis die Katastrophe nicht verhindert hat. Und erst Recht keinerlei Ausweg aus der politischen Sackgasse verspricht. Die Verpflichtung beider Parteien zur Humanität sei der einzige Weg zu einer friedlichen Lösung.
Jonas Fränkel hat als Herausgeber von Gottfried Kellers Sämtlichen Werken höchstes Lob und vernichtende Kritik erfahren. Als er 1926 sein ambitioniertes Projekt lancierte, war Walter Benjamin rundum begeistert. „Philologisch kühn“ sei die Arbeit, die Lektüre des Anhangs mit dem klug sortierten Variantenverzeichnis ein reines „Vergnügen“, schrieb er in seiner Rezension. Die Zürcher Regierung hingegen distanzierte sich zusehends von der Arbeit des in Bern lehrenden jüdischen Privatdozenten und entzieht ihm 1942 die Herausgeberschaft.
Es ist eine unerwiderte Liebe, die Liebe des in Krakau aufgewachsenen und in Bern promovierten Literaturwissenschaftlers Jonas Fränkel (1879 – 1965) zur Schweiz. Zwar lebte er ab 1920 auf der Riedegg in Thun und unterhielt zeitlebens Freundschaften zu Schweizer Intellektuellen, doch sein unermüdlicher Einsatz für Schweizer Autoren wie Gottfried Keller und Carl Spitteler wurden ihm schlecht gedankt. Ausserdem verdüsterte sich sein positives Bild von der Schweiz auch aufgrund der Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkrieges, dem ein grosser Teil seiner polnischen Familie zum Opfer fiel. Besonders schmerzte ihn, dass seine Schwester Sidonia Wald-Fränkel aus Antwerpen auf einer abenteuerlichen Flucht durch Frankreich schliesslich an der Schweizer Grenze abgewiesen wurde und 1942 einen schrecklichen Tod in Auschwitz fand: «Ich stehe ganz unter dem Eindruck der entsetzlichen Meldungen aus Berlin», schreibt er schon am 14.November 1938 an seinen Freund Carl Albert Loosli.
Es ist eine unerwiderte Liebe, die Liebe des in Krakau aufgewachsenen und in Bern promovierten Literaturwissenschaftlers Jonas Fränkel (1879 – 1965) zur Schweiz. Zwar lebte er ab 1920 auf der Riedegg in Thun und unterhielt zeitlebens Freundschaften zu Schweizer Intellektuellen, doch sein unermüdlicher Einsatz für Schweizer Autoren wie Gottfried Keller und Carl Spitteler wurden ihm schlecht gedankt. Ausserdem verdüsterte sich sein positives Bild von der Schweiz auch aufgrund der Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkrieges, dem ein grosser Teil seiner polnischen Familie zum Opfer fiel. Besonders schmerzte ihn, dass seine Schwester Sidonia Wald-Fränkel aus Antwerpen auf einer abenteuerlichen Flucht durch Frankreich schliesslich an der Schweizer Grenze abgewiesen wurde und 1942 einen schrecklichen Tod in Auschwitz fand: «Ich stehe ganz unter dem Eindruck der entsetzlichen Meldungen aus Berlin», schreibt er schon am 14.November 1938 an seinen Freund Carl Albert Loosli.
In seinem Roman Schwachstellen, der eben beim Zürcher Verlag Kein und Aber erschienen ist, verhandelt der israelische Autor Yishai Sarid ethische Fragen künstlicher Intelligenz in Form eines psychologischen Thrillers. Ein junger Computerspezialist, eben aus dem israelischen Militär entlassen und bereits mit geheimen, komplexen und hochbrisanten Aufgaben betraut, verstrickt sich immer mehr in einer Schattenwelt von Macht und Politik. Die moralischen und soziopolitischen Herausforderungen von KI sind Thema dieses Abends. Nach einem kurzen Referat von Yishai Sarid zum Thema wird er mit Magarita Boenig-Liptsin, ETH-Assistenzprofessorin für Ethik, Technologie und Gesellschaft, ins Gespräch treten. Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.
Sefer ist das hebräische Wort für Buch und dieses steht im Zentrum des eintägigen Festivals, das Omanut gemeinsam mit dem Jüdischen Museum der Schweiz und dem Wochenmagazin Tachles initiiert hat. Wir wollen das Buch als offenen Raum denken, der zur Auseinandersetzung und zur Reflexion einlädt. Und wir wollen unterschiedliche Stimmen versammeln, die das Feld der Literatur durch ihr Schreiben, Verlegen und Vermitteln immer wieder neu bestellen und umpflügen. Die Gäste kommen aus Israel, Deutschland, Frankreich und der ganzen Schweiz in die Messe- und Buchstadt Basel, die als reger und aufgeschlossener Ort als Inspirationsquelle dienen soll.
Die bekannte Schriftstellerin Zadie Smith widmete ihrem Freund Adam Andrusier vor rund 20 Jahren mit dem Buch «Der Autogrammhändler» ein liebevolles Porträt. Nun hat er seinerseits mit «Tausche zwei Hitler gegen eine Marilyn» (Unionsverlag 2023) einen eindrücklichen Roman über seinen Werdegang vorgelegt. Darin schildert er mit Witz und Verve, wie seine kindliche Leidenschaft zum Beruf wurde und erwähnt auch seine Zweitausbildung als Musiker. Aus diesem Grund wird die Zürcher Lesung mit der Aufführung des Streichtrios für Violine, Viola und Violoncello von Gideon Klein (1919 - 1945) ergänzt: Damit kommt einer der Lieblingskomponisten Adam Andrusiers zum Zuge und wird gleichzeitig das Thema des Holocaust angeschnitten, das seine Familiengeschichte wesentlich geprägt hat. Im auf Englisch geführten Gespräch mit Marcy Goldberg wird der Autor diese Zusammenhänge aufdecken und verraten, warum er es bis heute für einen «verrückten Zufall» hält, dass er sein Geld mit Autografen verdient.
Der 1873 in Wien geborene Kritiker, Schriftsteller und Übersetzer Alfred Polgar verliess 1933 unmittelbar nach dem Reichstagsbrand Berlin Richtung Prag. Den «Anschluss» Österreichs erlebten er und seine Frau Elise Loewy 1938 in Zürich, wo ihm keine Arbeitserlaubnis erteilt wurde. Das Ehepaar floh nach Paris, dann über Marseille nach Spanien und rettete sich schliesslich 1940 dank der Hilfe des Emergency Rescue Committee von Lissabon in die USA, wo Metro-Goldwyn-Mayer Alfred Polgar einen Vertrag zugesichert hatte. Nach einem längeren Aufenthalt in New York kehrten die Polgars 1949 als amerikanische Staatsbürger nach Zürich zurück und lebten, von regelmässigen Reisen abgesehen, im Hotel Urban am Bellevue. 1950, fünf Jahre vor seinem Tod in seiner Wahlheimat Zürich, las der «Meister der kleinen Form» bei einer Omanut-Veranstaltung im Kongresshaus aus seinen Werken vor.
Am Beginn dieses Projekts steht die Begegnung Daniel Hellmanns mit einer Gruppe indigener Kunstschaffenden aus der ganzen Welt. Im Vorfeld einer Recherche-Reise nach Taiwan mit dieser Truppe, in der er der einzige Weisse ist, bringt Daniel Hellmann für ihn selbst überraschend seine jüdische Herkunft ins Gespräch. Woher kommt dieser Impuls? Wohin diese Frage ihn treibt und was sie in ihm und anderen bewegt, wird er nach seiner Rückkehr berichten, singen und performen. Daniel Hellmann ist Künstler und Aktivist, Sänger und Performer – bekannt und international auf Tour zurzeit mit seiner Figur Soya the Cow, welche als vegane Drag-Kuh Queerness und Tierrechte verbindet und gegen Diskriminierung und Unterdrückung kämpft. Im Gespräch mit der Dramaturgin Julie Paucker berichtet er von seiner Kunst und seinem Engagement.
Der Pianist, Komponist und Sänger Guy Mintus, dem Omanut einen Jubiläumssong verdankt (www.omanut.ch/ radio), tritt in Zürich erstmals mit der Sängerin und Schauspielerin Naama Nahum auf. In ihrem Programm voller persönlich gefärbten Erzählungen und Liedern lassen sie Einflüsse vom Jazz, von der klassischen Musik und dem Musiktheater einfliessen. Da beide Künstler multilingualen Familien entstammen, werden Werke aus verschiedenen Kulturen und Sprachen präsentiert: von Englisch über Hebräisch zu Ladino und Jiddisch. Mit ihren gemischt aschkenasischen und sephardischen Hintergründen sehen Guy Mintus und Naama Nahum ihre Kunst als transkulturelles Projekt, das verschiedene Musiklandschaften verbindet und unterschiedliche Menschen zusammenbringt.
Der israelische Schriftsteller David Grossman hat das Bilderbuch «Opa, warum hast du Falten?» auf Hebräisch geschrieben, welches Anne Birkenhauer ins Deutsche übersetzt hat. Die Illustratorin Ninamasina erzählt die Geschichte in ihrer persönlichen Sprache, mit Farben und Formen. In der «Übersetzerwerkstatt» von Anne Birkenhauer und Lea Gottheil sollen die Kinder die Geschichte auf ihre eigene Art mitteilen und auch herausfinden, wie das Buch klingt, wenn es mit Musik gespielt wird. Und die Frage, was Übersetzen überhaupt ist, steht ebenfalls im Raum. Eltern und Grosseltern sind um 16.30 Uhr herzlich willkommen, einer kleinen Aufführung beizuwohnen. Für die Erwachsenen bietet Anne Birkenhauer in der Woche davor einen Zoom-Workshop in ihrer Reihe «Langsam Lesen» zur Lektüre des Buches von David Grossman im Original an: www.annebirkenhauer.com.
«Ein jüdische Garten» - 2022 von Itamar Gov, Hila Peleg und Eran Schaerf bei Hanser herausgegeben - erforscht jüdische Erfahrung und Geschichte in Form eines Pflanzenbestimmbuchs mit rund 160 Texten aus unterschiedlichen Sprachen, Epochen und Lebenswelten. Hier gedeihen Akazien von Clarice Lispector neben einer Zwiebel aus der Hebräischen Bibel, dazwischen Kirschen von Grete Weil, Mohn von Abraham Sutzkever, eine Mango von Ronit Matalon und Mais von Gabriele Tergit gepfeffert mit einer Prise Reiseliteratur des mittelalterlich-jüdischen Schriftstellers Benjamin de Tudela. Dank den editorischen Notizen entsteht daraus ein migrierender Garten aus Wörtern jenseits sprachlicher und nationaler Grenzen – ein Bestimmungsbuch für eine unbestimmbare jüdische Identität.
Die Dokumentarfilmerin und Kamerafrau Nurith Aviv setzt sich in ihrem cineastischen Werk seit Jahren mit der Sprache als Erinnerungsspeicher auseinander. Nach dem bemerkenswerten Film «Yiddish» (2020) entsinnen sich die Protagonisten von «Des mots qui restent» (2022) ihrer jüdische Dialekte sprechenden Verwandten. Was dabei an vergessenen Lebenswelten und Familiengeschichten an die Oberfläche dringt, ist berührend und lässt den Reichtum jüdischer Sprachen von Ladino über Judeo-Farsi bis Romaniotisch aufscheinen. Nach einem Q & A von Michael Guggenheimer mit Nurith Aviv und der Vorführung von «Des mots qui restent» wird Brigitta Rotach mit der israelischen Autorin, Übersetzerin und Kulturwissenschaftlerin Zohar Elmakias, einer der Protagonistinnen des Films, ins Gespräch treten. Zum Ausklang des Anlasses, der eine Zusammenarbeit mit dem Filmclub Seret von ICZ und JLG ist und im Rahmen des Europäischen Tags der Jüdischen Kultur (ETJK) stattfindet, wird ein Aperitif serviert.
Eine neue Betrachtungsweise der jüdischen Diaspora und des Begriffs der Diaspora im Allgemeinen sind das Thema des von Daniel Boyarin auf Englisch gehaltenen Vortrags The Talmud, Yiddish, and the Formation of Jewish Memory. Dem Professor für Kultur des Talmud an der University of California at Berkeley zufolge sind Beschreibungen der jüdischen Diaspora problematisch. Demgegenüber schlägt er eine andere Konzeption der jüdischen Geschichte und Kultur vor, die zu einem umfassenderen Verständnis der jüdischen Diaspora führt und einen Beitrag zur Theorie der Diaspora leistet.
«Shaul Knaz‘ Werke feiern das Leben. Das Alltägliche, wie auch das Besondere darin. Schattenseiten wie Glücksmomente. Sein ganzes Leben hat er mit dem Pinsel auf Leinwände gestrichen, getupft, gemalt», schreibt die künstlerische Leiterin des Musée Visionnaire, Manuela Hitz, zum Werk des israelischen Künstlers Shaul Knaz (1939-2022). Sein ganzes Leben verbrachte er im Kibbuz Gan Shmuel, wo er 2004 ein riesiges Wandgemälde realisierte. Als Autodidakt nahm er sich die Freiheit heraus, in seinen Bildern ein Universum abzubilden, das seine Idee einer glücklichen Welt darstellte, die wiederum von Unschuld, Phantasie, Natur, Optimismus und Lebensfreude geprägt war.
Das Künstlerduo Veli & Amos hat einen Camion zu einem Ausstellungsraum und Klein-Kino umgebaut. Dieser als icecream project herumkurvende Wagen steht einen Tag lang im Hof der Galerie Stephan Witschi und es werden Videos der Kunstschaffenden Lea Bloch, Sarai Meyron und Veli & Amos gezeigt. Neben Künstlergesprächen gibt es ein Hummus-Buffet und Musik.
Der Schweizer Künstler und Pädagoge Johannes Itten unterrichtet die junge Friedl Dicker (1898-1944) in seiner Wiener Privatschule. Dazu kann man in dem biographischen Roman «Friedl» von Elana Makarova, der letztes Jahr auf Deutsch erschienen ist, folgende Zeilen lesen: «Es entsteht der Eindruck, als befände ich mich mit Itten allein in einem Klassenraum. Tatsächlich sind wir sechzehn. Zwei Jahre später werden wir in genau dieser Zusammensetzung – überwiegend Personen jüdischer Herkunft mit linken Ansichten – Itten nach Weimar folgen, wo wir den Ton im gesamten Bauhaus prägen werden.» Auch wenn dies kein Originalzitat aus Friedl Dickers unzähligen Briefen an Freunde und Bekannte ist, arbeitet sie in einem Kreis von Gleichgesinnten, hat eine sozialistische Gesinnung und ist mobil. Ihre Ausbildung führt sie von ihrer Geburtsstadt Wien ans 1919 gegründete Bauhaus in Weimar, bevor sie mit ihrem Partner Franz Singer in Berlin die «Werkstätten Bildender Kunst» gründet.
Der verstorbene deutsch-jüdische Journalist Ralph Giordano analysierte in seinem Buch «Israel, um Himmels willen, Israel» (1991) das fragile Gleichgewicht, in dem sich Israel seit seiner Gründung befindet: Stark und wehrbereit solle das Land sein, um den Judenhassern in aller Welt, den alten und den neuen, etwas entgegenzusetzen – und gleichzeitig im Inneren liberal und nach Gerechtigkeit strebend, mit reflektierter Machtkritik ganz im Sinne der biblischen Propheten. Heute zeigt sich: Wird die Liberalität durch religiösen Fanatismus bedrängt, wird die Machtkritik mundtot gemacht, droht dieses Gleichgewicht zu kippen und sich ein autoritärer Staat herauszubilden. Dagegen wehren sich aktuell namhafte Kunstschaffende und Militärs, Politiker und Bürgerinnen aus den unterschiedlichsten Lagern und verschiedener Altersstufen: Sie sehen «ihr» Israel bedroht, für das sie in unzähligen Kriegen gekämpft und für das sie ihre Heimatländer voller Sehnsucht verlassen haben; das Land, in das ihre Vorfahren vor oder nach der Shoa einwandern konnten; das sie aufnahm, als sie aus den arabischen Ländern vertrieben wurden.
Das Literaturhaus Zürich hat gemeinsam mit anderen Kulturinstitutionen, die sich der Mehrsprachigkeit annehmen, ein Lesefest organisiert (www.literaturhaus.ch/lesefest). Da der Anlass auf den Schabbat fällt, hat Omanut am Tag danach einen «Nachklang» organisiert und mit Rafaël Newman, Dalit Arnold, Gundula Schiffer und Ella Ronen vier Kulturschaffende eingeladen, in deren Werk Interkulturalität und Multilingualität eine zentrale Rolle einnehmen.
Wie ihr Cousin Walter Benjamin wurde Gertrud Käthe Chodziesner, die unter dem Pseudonym Gertrud Kolmar publizierte, in Berlin geboren. Aber nicht die Stadt, sondern die Natur nährte von früh an ihre dichterische Intuition. Sie fühlte sich von Pflanzen und Tieren angezogen und beseelte sie in ihren Gedichten: So laß uns fliehn Zu den sinnenden Feldern, die freundlich mit Blumen und Gras unsere wandernden Füße trösten, An den Strom, der auf seinem Rücken geduldig wuchtende Bürden, schwere, güterstrotzende Schiffe trägt, Zu den Tieren des Waldes, die nicht übelreden.
«Als ich das Geschäft verlasse, Cellokasten am Rücken, der Dreisterne-Bogen gut versorgt, ist meine Tagesenergie aufgelöst. Ich begreife: Mein Kopf liegt noch immer hoch in den Regungen der Bogenstriche, prall gefüllt von cellistischem Klang. Ich muss ihn zurückholen, hinein in den Tag». Der Protagonist von Irène Speisers Buch «Stimmung für Violoncello solo», Gilles Bastien, erlebt einen innigen musikalischen Moment beim Kauf eines Cello-Bogens in einem Laden in der Nähe der Pariser Gare St. Lazare. Auch Raphael Selig, der seit einigen Jahren das Familienunternehmen «Antiquités Ségal & Selig» leitet, hat in Basel ein schönes Geschäft für erlesene Objekte an der St. Alban-Vorstadt 17 eingerichtet.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Religionswissenschaftler und Philosoph Jacob Taubes, der bei vielen intellektuellen Debatten des 20. Jahrhunderts wie ein Katalysator wirkte und selber wenig publiziert hat, gerade heute wiederentdeckt wird. Er hat so viele Widersprüche in sich vereint, hat mit geistigen und sinnlichen Verführungen so kühn und verwegen gespielt, dass seine schillernde Persönlichkeit ebenso fasziniert wie irritiert. In diesem Sinne passt er gut in unsere Zeit, in der sich Gewissheiten auflösen, politische Systeme ins Wanken geraten und moralische Orientierungen in Zweifel stehen. Die eben erschienene, sehr umfassende Biografie des amerikanischen Historikers Jerry Z. Muller gibt erstmals minutiös Einblick in Taubes Leben und Denken. Taubes enge Verbindung mit Zürich legt es nahe, ihm ein Omanut-Doppel zu widmen.
Die Berufung von Rabbiner Zwi Taubes 1936 von Wien an die Israelitische Cultusgemeinde Zürich (ICZ) bedeutete im Hinblick auf die sich anbahnenden historischen Ereignisse eine Rettung für ihn, seine Frau Fanny und die gemeinsamen Kinder Jacob und Mirjam. Ende 1938 gelang es Zwi Taubes mit Unterstützung des St. Galler Polizeihauptmanns Paul Grüninger, einer seiner Schwestern mit deren Familie die Flucht in die Schweiz zu ermöglichen. Es gibt nach wie vor Menschen in Zürich, die sich der Amtszeit von Zwi Taubes entsinnen, am lebhaftesten wohl seine Verwandten: Einerseits sind das seine Enkelinnen Madeleine Dreyfus und Liliane Isaak-Dreyfus, die Töchter von Mirjam Dreyfus-Taubes, andererseits seine Grossnichte Susanne Scheiner, die Enkelin seiner Schwester Wetti Peniaker-Taubes. Sie alle erinnern sich an Begegnungen mit Zwi und Jacob Taubes und weiteren Angehörigen. Sie werden im Gespräch mit Karen Roth mithilfe von Fotografien und Dokumenten die Geschichte ihrer aus Osteuropa stammenden Familie rekonstruieren und reflektieren.
Doppel-Führung durch die Ausstellung «Zwischenzeilen» in den Räumlichkeiten der BINZ39 mit Dalit Arnold und Susanna Koeberle und anschliessend durch die Völkerkundemuseum-Schau «VielFalt – Textiles Wissen von Miao-Frauen in Südwest-China» mit der Kuratorin Martina Wernsdörfer. Danach kleiner Imbiss und Konzert mit dem Kaleidoscope String Quartet und Michael Zisman am Bandoneon.
Marcel Herbst im Gespräch mit Marc Bundi und Karen Roth über seinen Werdegang, seine Photographie und sein essayistisches Schreiben. Musikalische Umrahmung: Edouard Mätzener (Violine) und Heinrich Mätzener (Klarinette)
In den unterschiedlichen Werken von Dalit Arnold und Marcel Herbst gibt es auch viel Verbindendes: Sie widmen sich dem Peripheren, dem Übersehenen und sehen sich als Suchende zwischen verschiedenen Kulturen. Für die Ausstellung in den Räumlichkeiten der Stiftung BINZ39 stehen einerseits Marcel Herbsts grossformatige Fotografien von jüdischen Friedhöfen im Zentrum, die er in Osteuropa aufgenommen hat und die für ihn neben einer verwunschenen Schönheit auch die Trauer über die Auslöschung einst blühender Gesellschaften ausdrückt. In seinem Essay «My Polyn» spricht er denn auch vom «Verlust von Heymischkeit», die für ihn «Wärme, Witz, Sprache, Bräuche und Seykel» bedeutet. Im Dialog mit Herbsts Bildern stellen andererseits Dalit Arnolds Fadenbilder eine spielerischere Auseinandersetzung mit verschiedenen Materialien und historischen Praktiken dar. In ihrer Text-Collage «Entbindung» findet man dazu aufschlussreiche Passagen: «Fäden, Schnüre und Garne... Ich habe sie von meiner Grossmutter, die Schneiderin war, geerbt. Sie begleiten mich in vielen meiner Arbeiten. Der Faden kann einerseits Sachen zusammenhalten oder auch eine neue Geschichte erzählen, indem er sich durch ein Material schlängelt.» Diese Zeilen kann man auch als Programm der Ausstellung «Zwischenzeilen» sehen: Zwei Positionen, zwei Generationen, zwei Kunstrichtungen verbinden sich zu etwas Neuem, Unerwartetem und eröffnen neue Suchfelder.
Wir laden Sie herzlich zur Verleihung des Omanut-Zwillenberg-Förderpreises 2022 an Elie Aufseesser ein. Der 1990 in Lausanne geborene Filmemacher hat an der Universität Lausanne Philosophie und Filmtheorie sowie an der Columbia University Regie und Drehbuch studiert. Sein erstaunliches Dokumentarfilm-Debut über zwei ungleiche Brüder, «Pas de deux» (2022), teilt mit dem für den Omanut-Zwillenberg-Preis eingereichten Dossier «The Cantor’s Sons» eine grosse Einfühlsamkeit und Musikalität sowie eine Faszination für Kontraste: «the conflict between community and society, ritual and newness, convention and freedom, expectations and reality, father and son».
Drei Bücher stehen im Mittelpunkt dieser gemütlichen Vor-Weihnukka-Veranstaltung. Das Künstlerbuch von Tom Fellner, der Erzählband von Alexander Estis und das Kinderbuch von Micha Lewinsky könnten verschiedener nicht sein, doch haben sie eines gemeinsam: Sie sind alle illustriert. Tom Fellners sehr persönliche Texte werden in seinen Zeichnungen gespiegelt. Die beiden Ebenen bilden ein komplexes und bewegendes Bezugssystem.
Das Jüdische bei Heinrich Heine (1797 in Düsseldorf - 1856 in Paris) und Marcel Proust (1871 in Paris – 1922 ebenda) auszumachen, ist nicht einfach, da Ambivalenz das Werk und die jüdische Identität der zwei Autoren kennzeichnet. Gleichwohl lösten bei beiden antisemitische Ausschreitungen augenfällige politische Reaktionen aus: Bei Heine waren es die pogromartigen Hep-Hep-Krawalle, die ihn zum Gedicht an «Edom», also an seine christliche Umgebung, veranlassten:
Das Jüdische bei Heinrich Heine (1797 in Düsseldorf - 1856 in Paris) und Marcel Proust (1871 in Paris – 1922 ebenda) auszumachen, ist nicht einfach, da Ambivalenz das Werk und die jüdische Identität der zwei Autoren kennzeichnet. Gleichwohl lösten bei beiden antisemitische Ausschreitungen augenfällige politische Reaktionen aus: Bei Heine waren es die pogromartigen Hep-Hep-Krawalle, die ihn zum Gedicht an «Edom», also an seine christliche Umgebung, veranlassten:
«Väter unser …» ist ein vielstimmiges Buch zum Thema Patrilinearität im Judentum. Die betroffenen Menschen umkreisen ihre Identität und fragen sich: «Bin ich doppelt oder doch eher gespalten?» Die Antworten fallen differenziert aus. So konkludiert etwa Wilma: «Warum nicht diese «doppelte» Herkunft und damit das «Anderssein» als seine eigene Identität ansehen und vor allem, dies nicht als Makel empfinden, sondern als Vorteil?» Zwischen dem Judentum und einer anderen Religion zu stehen, kann also Unterschiedliches bedeuten: Gefühle der Ausgrenzung, des Nicht-Dazu-Gehörens und der Unsicherheit gehören genauso dazu wie die Empfindung von Beschenkt-Sein und von Selbstermächtigung.
Der israelische Künstler, Filmemacher und Autor Roee Rosen, 1963 in Rechovot geboren, ist bekannt für sein vielschichtiges, oft auch provozierendes Werk, das die Grenzen zwischen Geschichte und Gegenwart, Dokumentation und Fiktion, zwischen Politik und Erotik verwischt. Das Kunstmuseum Luzern zeigt nun die erste Soloschau des renommierten Künstlers in der Schweiz.
In ihrer eindrücklichen Essaysammlung «Weil es sagbar ist» geht Carolin Emcke auf die Irrationalität der Konzentrationslager ein: «Der desorientierte Häftling im Lager sucht nach Regeln, wo Willkür herrscht, nach irgendeiner Vernunft, wo Wahnsinn regiert. Etwas wehrt sich, als ob Brutalität und Grausamkeit nicht allein unmoralisch, sondern unlogisch seien». In einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Autorenkolleginnen Lena Gorelik und Maryam Zaree setzt sie sich mit Texten von Primo Levi, Jean Améry, Ruth Klüger, Charlotte Delbo, Imre Kertész und Jorge Semprun auseinander und macht sich Gedanken zur Erinnerungspolitik. Denn das offizielle «Gedächtnistheater» (Michael Bodenmann), das mahnende «Nie wieder» erstarrt mehr und mehr zu einem Ritual – ohne die Stimmen der Zeitzeugen, welche die Bedeutung und die verheerenden Auswirkungen der Shoa zu vermitteln versuchten.
«Sicher, meine Schöne, sicher», sind die letzten Worte, welche die aufstrebende Sängerin Gabriela Oded Chefer ins Ohr flötet. Sie ist eine Transfrau, «die Schöne» ein queerer Privatermittler, der nach ihrer Ermordung alles daransetzt, den Schuldigen zu finden. Yonatan Sagivs erster Krimi «Der letzte Schrei» (Kein & Aber 2022) führt in den Süden Tel Avivs, dessen Fassade unpolierter als der Rest dieser glänzenden Stadt ist. Hier herrscht das Recht des Stärkeren, aber auch eine Solidarität zwischen Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben: Prostituierte, Kleinkriminelle, Illegale. Der israelische Autor, der auch Filmtheorie und moderne israelische Literatur unterrichtet, sieht im Krimigenre ein grosses Potenzial. Nicht nur, weil es mit vielen Leuten kommuniziert, sondern auch sozialpolitische Themen anspricht. Eines seiner Vorbilder ist die Schriftstellerkollegin Shulamit Lapid, die in «Lokalausgabe» (Dörlemann 2022) bereits 1989 eine ikonische Ermittlerin erschaffen hat: Lisi Baldichi. Die als «Lisi die Bekloppte» bekannte Journalistin lernt wie ihr Kollege Oded Chefer aus Fehlern. Der Mörder hätte sich besser überlegen müssen, mit wem er sich ins Bett legt.
Das Fleckfieber war auch wegen seiner Ausbreitung in Kriegszeiten eine besorgniserregende Krankheit. Ludwik Fleck, ein Arzt und Philosoph aus Lemberg, hat wesentlich zu diesem Phänomen geforscht. Sein Weg als Wissenschaftler und Jude liest sich in der Darstellung von Andreas Pospischil wie ein Krimi; aber auch wie eine andere Geschichte Lembergs. In der Stadt – einst eine blühende k. u. k. Metropole, danach polnisch und nach der Besetzung durch die Nazis schliesslich Teil der Sowjetunion – leistete Fleck wichtige Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Medizin. So beschrieb er 1930 den ersten zuverlässigen Hauttest zum Fleckfiebernachweis. Seine Deportation ins KZ Buchenwald und seine schwierige Zeit im Nachkriegseuropa und in Israel gehören aber genauso zu diesem reichen Forscherleben wie seine bedeutenden Schriften zur Wissenschaftssoziologie. Der Autor Andreas Pospischil hat diesem beinahe vergessenen Immunologen mit dem Buch «Ludwik Fleck und das nicht nach ihm benannte Fleckfieber» (Chronos 2020) ein aufregendes Denkmal gesetzt.
Die Vielstimmigkeit der modernen hebräischen Literatur beruht zum einen darauf, dass seine alten Sprachschichten, sei es Tenach, Mischna, Talmud bis heute präsent sind; darüber hinaus brachten die Einwanderer, die aus verschiedenen Ländern nach Palästina/Israel kamen, eigene Einflüsse mit. Diese Vielstimmigkeit auch in der deutschen Übersetzung hörbar zu machen, gehört für Anne Birkenhauer zu den spannendsten Herausforderungen. Sie wird anhand einiger Textstellen einen Einblick in ihre Übersetzerarbeit geben und erzählen, wie sie in den letzten Jahren bei Tomer Gardi und Moshe Sakal einen ganz neuen Aspekt des hebräischen Stils entdeckte.
Tomer Gardi verbrachte bereits als Kind mit seinen Eltern eine längere Zeit in Wien, doch aufgewachsen ist er in einem Kibbuz in Israel. Der heute in Berlin lebende Autor hat schon früh sein fehlerhaftes Deutsch selbstbewusst zur Kunstsprache entwickelt. Nach «Broken German» hat er es erneut meisterlich in seinem Roman «Eine runde Sache» verwendet, der letztes Jahr bei Omanut vorgestellt wurde. Im Gespräch, das der Radiojournalist Felix Schneider mit Tomer Gardi und dem Regisseur Noam Brusilovsky zu «Broken German» führen wird, geht es nicht nur um die Sprache, sondern auch um das Übertragen eines Romans in ein Hörspiel. Auf Gardis Roman «Broken German» (Droschl 2016) basiert nämlich das von Noam Brusilovsky kongenial inszenierte SWR2-Hörspiel gleichen Namens aus dem Jahr 2017, das vor der Diskussion um 19 Uhr im Theatersaal zu hören ist. Dazwischen gibt es eine Pause.
Was passiert, wenn zwei Ensemblemitglieder des Theaters Neumarkt – ein israelisch-philippinisch-schweizerischer Schauspieler und eine türkisch-deutsche Schauspielerin – zusammen mit einem geflüchteten eritreischen Performer und einer israelischen Regisseurin mit persischem Hintergrund ein Stück entwickeln?
1989 zieht Oriana Schrage mit ihrer Familie nach Recife, wohin es Clarice Lispector (1920-1977) als Kind ebenfalls verschlug. Für Orianas Eltern eine Rückkehr nach Brasilien, für die kleine Clarice ein Neuanfang. Wie wird es für sie gewesen sein, vom ukrainischen Schtetl in ein riesiges tropisches Land wie Brasilien zu ziehen?
Der israelische Graphikdesigner Noam Benatar untersucht die visuellen Bezüge zwischen der jiddischen, deutschen und hebräischen Sprache. Sein Fokus liegt auf Sichtbarmachung dieser kulturhistorischen Verbundenheit mit experimentellen typographischen Mitteln. Nach seiner Präsentation wird Philipp Messner, der sich als Kulturwissenschaftler mit jiddischer Typographie beschäftigt, auf das Projekt «Yiddish Dislplayed» reagieren. Schliesslich unterhalten sich die beiden Schrift-Experten auf Englisch über die Revolution der hebräischen Schriftformen im Kontext des Jiddischen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und über die Gegenwart dieses Erbes im heutigen Israel.
In David Grossmans Roman «Was Nina wusste» (Hanser Verlag, 2020) stehen drei Generationen Frauen im Zentrum. Die Familiengeschichte, die in Israel und Kroatien spielt, ist eine Zeitreise ins 20. Jahrhundert: Es geht um Liebe, Krieg, Shoa, Kommunismus, Gulag, Hoffnung und Verrat. Der Autor löst mit dem Buch ein Versprechen ein, das er der ehemaligen jugoslawischen Partisanin Eva Panic-Nahergegeben hat. Er solle ihre Geschichte aufschreiben, hat sie ihn noch zu Lebzeitengebeten. Grossmans feinfühliger Text, der vor dem inneren Auge ein temporeiches und schonungsloses Roadmovie evoziert, klingt in der kongenialen Übersetzung von Anne Birkenhauer so: «Wir sind in Čakovec», erklärt Vera der Kamera im Reiseleiterton, «nicht weit von ungarische Grenze, nicht weit auch von österreichische Grenze. Für Theater und Oper ist man gefahren nach Budapest oder nach Wien. Das ist gewesen unsere Kultur. Und Ungarisch ist gewesen unsere erste Sprache. Deshalb ich bin keine Balkanjüdin und auch keine Ghettojüdin. Ich bin Jüdin aus Zentraleuropa. Aus richtige Europa! So ein Europa wie mich gibt es gar nicht mehr».
Das Debut des Schweizer Filmemachers Elie Aufseesser behandelt einen entscheidenden Abschnitt im Leben zweier ungleicher Brüder. Die Eltern sind chinesischer sowie jüdisch-amerikanischer Herkunft. Der feingliedrige Jon ist leidenschaftlicher Turmspringer. Der Umzug nach New York ins Team der renommierten Columbia University steht an. Sein extrovertierter Bruder Peter formuliert gerne seine Gedanken über die Erweiterung des Bewusstseins. Er reist an grosse Festivals und später in die jordanische Wüste, wo er vermehrt von Selbstzweifeln geplagt wird. Als es dem chinesischen Grossvater mütterlicherseits gesundheitlich immer schlechter geht, entsteht zwischen ihm und Peter eine unerwartet nahe Verbindung.
Bereits in ihrer Arbeit «Der Kaufmann Caraco» (2017) hat sich Françoise Caraco mit dem türkisch-jüdischen Zweig ihrer Familie auseinandergesetzt. Die damalige Spurensuche führte sie zum Altkleiderhändler Caraco am Rennweg in Zürich, einer Nebenfigur des Schweizer Filmklassikers «Hinter den sieben Gleisen». Für ihre jüngste Recherche hat sie diese Suche bis nach Istanbul ausgeweitet und hat dort mit Menschen gesprochen, die den Namen Caraco – oder Karako – kennen. Dazwischen lässt sie weitere Stimmen jüdischer Türken und Türkinnen zu Wort kommen und fängt gleichzeitig Istanbul mit der Linse ihrer Kamera ein. Mit «Hidden Istanbul» ist ein bezauberndes Künstlerbuch entstanden, in das man eintaucht und meint, die Wellen an die Gestade des Bosporus schlagen zu hören – und auch ein Flüstern aus längst vergangenen Zeiten.
“Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde”, heisst es in Exodus 20:4. Unter den Themen der Judaistik dürfte die Frage nach dem Bilderverbot eine der spannendsten sein. Selbst die rabbinischen Auseinan-dersetzungen mit dieser Frage führten im Laufe der Jahrhunderte zu unter-schiedlichen Interpretationen und – je nach Assimilationsgrad der jüdischen Gemeinschaft – zu verschiedenen Massnahmen. Auch der Bilderreichtum der jüdischen Kunstgeschichte zwingt zu einer differenzierten Sicht auf das Bilderverbot.
Wenn sich Dmitrij Kapitelman zu Flucht und Emigration äussert, spricht er aus Erfahrung. Als Achtjähriger kam der Autor mit seiner Familie aus der Ukraine nach Deutschland und ahnte schon damals, «dass ein Aufbruch noch keine Ankunft ist. Und dass sich unsere Familie unterwegs für immer verändern würde». In seinem neusten Buch Eine Formalie in Kiew (Hanser 2021) beschreibt Dmitrij Kapitelman das Gefühl der Entfremdung, das sich zwischen ihm und seinen Eltern nach der Emigration allmählich ausbreitet. Das schildert er auf zutiefst berührende wie humorvolle Weise – eine Mischung, die bereits sein Vorgängerroman Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters (Hanser 2016) auszeichnete. Handelte dieser mehrheitlich in Israel, nimmt uns der Autor in Eine Formalie in Kiew in die Ukraine mit. Und obwohl der Text vor dem russischen Überfall auf das Land geschrieben wurde, wird einem bewusst, dass der Konflikt schon lange seinen Tribut fordert: Milizionäre bevölkern im Roman die Strassen Kiews und versuchen, junge Ukrainer für den Krieg im Donbass zu verpflichten. Inzwischen haben diese keine Wahl mehr und können ihre Frauen und Kinder nicht auf der Flucht aus dem kriegsversehrten Land begleiten. Zu dieser Situation wird sich Dmitrij Kapitelman ausführlich mit dem russischen Autor Alexander Estis unterhalten – und natürlich aus seinem Buch lesen.
Ein Looper arbeitet mit dem Prinzip der Wiederholung. Der israelische Komponist, Arrangeur und Multiinstrumentalist Jonathan Keren beschäftige sich seit 2019 mit diesem Gerät. Damals war er mit seiner Barockvioline für ein Solokonzert eingeladen und wollte zusätzlich den Looper einsetzen. Das Konzert wurde aufgrund von Corona abgesagt, doch der Looper begleitet ihn seither als innovatives Instrument und erlaubt ihm eine ganz besondere Form des künstlerischen Ausdrucks. Während des Lockdowns, als das Zusammenspiel mit anderen Musikern unmöglich war, komponierte er damit kontrapunktische Musik mit nur ein, zwei Instrumenten und interpretierte sein Standard Violine-Repertoire neu.
In ihrem ersten Roman «Otto» hat Dana von Suffrin ihrem Vater und allen Vätern ein Denkmal gesetzt: launisch und liebenswert wie er ist, bleibt er doch ein Tyrann. Als er zum Pflegefall wird, versuchen ihm seine beiden Töchter das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Doch der aus Siebenbürgen stammende Vater wird in Deutschland nicht wirklich heimisch und misstraut dem ehemaligen Tätervolk. Das erfolgreiche Debut erzählt diese Geschichte mit einer Leichtigkeit, die die Kritiker begeisterte und es zeichnet wohl Dana Suffrins Schreiben aus, dass sich Ernsthaftigkeit und Humor bei ihr nicht ausschliessen und sie sowohl in die Rolle der seriösen Wissenschaftlerin, als auch der klugen Unterhalterin schlüpfen kann. Über einen anderen Otto hat die Autorin eine Dissertation verfasst: Otto Warburg (1859-1938), deutscher Kolonialbotaniker und Zionist. Der Mitherausgeber der Zeitschrift Altneuland – die Monatsschrift für die wirtschaftliche Erschließung Palästinas, sah das „Urproblem“ der Juden in der Heimatlosigkeit und Entwurzelung. Ob Warburg sich selber als entwurzelt begriff, darf aufgrund seines Verbleibs in Deutschland auch nach Hitlers Machtergreifung bezweifelt werden – doch lohnt es sich auch in diesem Kontext, über jüdische Identität nachzudenken. Bei einer Omanut-Matinee stellt Dana von Suffrin ihr Werk vor und liest auch Stellen aus ihrem neusten Roman «Nochmal von vorne», der noch im Entstehen ist und nächstes Jahr erscheinen soll. Und in einem Gespräch mit Karen Roth verrät sie, was sie und ihre Generation in Deutschland zurzeit umtreibt. Begleitet wird der Anlass vom Musiker Omri Ziegele, einem Improvisationskünstler, der Altsaxophon, die usbekische Nai, und auch gerne mit Worten und seiner Stimme spielt.
Nicole Eisenman erzählt in ihren Bildern Geschichten eines Alltags, der genauso von Ängsten wie von Freuden, von Brutalität wie von Zärtlichkeit geprägt ist. Die Figuren in Eisenmans zeichnerischem, malerischem und skulpturalem Werk sind oft Cartoon- artig und mit verzerrten Gliedmassen dargestellt und verzweifelt bemüht, das Beste aus ihrer tragikomischen Situation zu machen.
Raygrodski ist nicht nur der Name einer exquisiten Bar, sondern auch einer unvergesslichen Frau: Der russischen Ärztin und Sexualreformerin Paulette Brupbacher-Raygrodksi (1880 Pinsk – 1967 Unterendingen) hat die Autorin Ruth Schweikert im Sammelband «Projekt Schweiz», das Ende 2021 im Limmatverlag erschienen ist, ein Porträt gewidmet. Und Yves Niedermayr hat seine Raygrodski-Bar ganz bewusst nach der fortschrittlich denkenden Frau benannt, die auch für ein offenes Zürich steht, wohin sie 1924 gezogen war, um den Anarchisten und Arzt Fritz Brupbacher zu ehelichen und mit ihm in Aussersihl zu praktizieren. Ruth Schweikert wird auszugsweise aus ihrem «Brief an eine Ärztin, Träumerin und Aktivistin für Frauen und deren Rechte» lesen und im Gespräch mit Karen Roth von ihren Recherchen berichten – und von Paulette Brupbacher-Raygrodski’s spätem, langjährigem Kibbuzaufenthalt und ihren verschiedenen Publikationen. Danach serviert die israelische Meisterköchin Jaffa Niedermayr Köstlichkeiten aus ihrer orientalischen Küche.
Immer wieder wird in der öffentlichen Debatte versucht, mit Rückgriff auf den Topos das christlich-jüdischen Abendlands den Islam und seine Vertreter auszuschliessen, obwohl es in diesen Reihen viele Menschen und Gruppen gibt, die sich für einen offenen und pluralistischen Islam einsetzen. Dass solche Ausgrenzungsmechanismen weniger zum Auseinanderdividieren als zum Schulterschluss verschiedener Minderheiten führen soll, dafür setzt sich die Religionswissenschaftlerin Hannan Salamat ein. Als Bildungsreferentin weist sie zudem die Schweizer Öffentlichkeit immer wieder auf blinde Flecken in ihrer Geschichtsaufarbeitung hin.
In ihrer Dissertation, die Ende letzten Jahres unter dem Titel «Jüdische Kunsthändler und Galeristen» im Böhlau Verlag erschienen ist, befasst sich die Autorin Elisabeth Eggimann ausführlich mit dem Omanut-Gründer Toni Aktuaryus. Er gehörte neben den Gebrüdern Moos und Bollag zu den ersten Kunsthändlern und Galeristen jüdischer Herkunft in der Schweiz. Diese traten für die Impressionisten und die moderne französische Kunst ein, förderten zeitgenössische Schweizer Maler und veranstalteten Auktionen. Ihre Inspirationsquelle bildete die Pariser Kunstwelt.
Die 1872 in Hamburg geborene jüdische Religionsphilosophin, Lyrikerin und Essayistin Margarete Susman lebte über lange Zeit in Zürich: Als Kind und Jugendliche zwischen ihrem zehnten und zwanzigsten Lebensjahr und dann wieder seit ihrer Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland 1933 bis zu ihrem Tod 1966. Anders als Susmans Freunde – Anarchist Gustav Landauer, der Philosoph Ernst Bloch und der Dichter Paul Celan – ist sie heute beinahe vergessen. Dies ist umso bedauerlicher, als ihr vielseitiges Werk aktuellen Debatten als Inspirationsquelle dienen kann. Ausserdem ist Margarete Susman eng mit der Geschichte von Omanut verbunden: Der Omanut-Präsident Hermann Levin Goldschmidt lud die Autorin, mit der er eng befreundet war, mehrmals zur Mitarbeit bei Omanut ein und der Verein richtete ihr kurz nach ihrem Tod im Januar 1966 eine Gedenkveranstaltung aus.
Wir laden Sie herzlich zur Verleihung des Omanut-Zwillenberg-Förderpreises 2022 an Elie Aufseesser ein. Der 1990 in Lausanne geborene Filmemacher hat an der Universität Lausanne Philosophie und Filmtheorie sowie an der Columbia University Regie und Drehbuch studiert. Sein erstaunliches Dokumentarfilm-Debut über zwei ungleiche Brüder, «Pas de deux» (2022), teilt mit dem für den Omanut-Zwillenberg-Preis eingereichten Dossier «The Cantor’s Sons» eine grosse Einfühlsamkeit und Musikalität sowie eine Faszination für Kontraste: «the conflict between community and society, ritual and newness, convention and freedom, expectations and reality, father and son». Diese Spannungsfelder will Elie Aufseesser für sein neues Filmprojekt fruchtbar machen, um eine sehr persönliche Geschichte zur jüdischen Tradition und Genealogie zu erzählen. Auch soziologische und filmhistorische Aspekte fliessen mit ein. Mehr dazu kann man an der Preisverleihung erfahren, die gleichzeitig eine Stabsübergabe von Lea Kalisch, der letzten Omanut-Zwillenberg-Preisträgerin, an Elie Aufseesser sein wird.
Eine «Ode an die Farbe» nennt Roman Hollenstein die Werke von Otty Wyler (1887-1965) in seiner NZZ-Rezension der aktuellen Ausstellung «Die schönsten Bilder. Otto Wyler begegnen» im Franz Gertsch Museum in Burgdorf. Es ist wohl vor allem Yehuda Sprecher, dem in Israel lebenden Enkel von Otto Wyler, zu verdanken, dass dem Oeuvre seines Grossvaters auch in der Schweiz wieder mehr Beachtung geschenkt wird. Bereits 2013 hat er im Kunstmuseum von Ein Harod eine Übersichtsschau der Bilder von Otto Wyler organisiert und seit mehreren Jahren gemeinsam mit Omanut-Mitglied Wolfgang Straub an einem digitalen Werkkatalog gearbeitet: www.otto-wyler.ch. Auffallend sind die verschiedenen Einflüsse, die der Maler in seiner Kunst verarbeitete. Die Wandelbarkeit als Charakteristikum betont auch Roman Hollenstein: «Verrät der frühe, in loderndem Rot gehaltene Jom Kippur in der St. Galler Synagoge Wylers Beschäftigung mit dem Expressionismus, so scheint der Tango-Tee in Paris 1913 bereits Varlin anzukündigen. Der in hundert Schattierungen von Weiss erstrahlende Monte Forno lässt hingegen fast schon Robert Rymans monochrome Sinfonien erahnen.»
Als Omanut im Gründungsjahr 1941 eine Omanut-Woche plante, musste der Verein auf seinen Kunstreferenten Leopold Lindtberg verzichten. Im Protokoll vom 25. September 1941 ist vermerkt, er sei «bis am 15. November unabkömmlich, da er mit dem Drehen eines Films beschäftigt ist». Beim Film handelt es sich um den «Landammann Stauffacher», der wie «Marie-Louise» und «Die Letzte Chance» klar macht, gegen welchen Feind man zusammenstehen muss: Es braucht nicht viel Fantasie, um in den zu Stauffachers Zeiten bedrohlichen Habsburgern die mörderischen Nationalsozialisten zu sehen.
Ein junges Jazz-Talent aus Israel: Guy Mintus ist erst Mitte zwanzig und spielte bereits mit Musikgrössen wie Trilok Gurtu, Jon Hendricks und Arturo O’Farrill, gewann den «ASCAP's Young Jazz Composer Award» und wurde zudem mit dem Publikumspreis in der Wettbewerbskategorie «Solo-Klavier» des Montreux Jazz Festivals ausgezeichnet. Das Debüt-Album seines Trios «A Home in Between» wurde vom DownBeat Magazin als Hör-Tipp empfohlen.
Lea Kalisch, geboren 1994 in Zürich, lebt als polyglotte Sängerin und Schauspielerin in Minneapolis und New York, wo sie an der AMDA sowie The New School ihre Musical Ausbildung absolvierte und ihren Bachelor erwarb. Sie hat Jiddisch studiert und sich eine grosse Bandbreite des jiddischen Liedgutes angeeignet und führt es mit Rap bis in die Gegenwart. Inzwischen hat sie sich als Solo-Künstlerin mit «jüdischem Herz und Latino-Hüftschwung» einen Namen gemacht und auch die Omanut-Jury überzeugt.
Der sachliche und in der Wissenschaft etablierte Begriff der Provenienzforschung wird immer wieder zum Reizthema, hauptsächlich wenn es um den Kunstraub während der Kolonialzeit oder des Nationalsozialismus geht. Die Historikerin Stefanie Mahrer, die an der Universität Bern lehrt, kontextualisiert den gesellschaftlichen und politischen Diskurs über das Kulturgut, das in den 30er und 40er Jahren oft aus jüdischem Besitz in die Schweiz gelangte, und tritt nach ihren Ausführungen ins Gespräch mit dem Provenienzforscher Joachim Sieber, Vorstandspräsident des Schweizerischen Arbeitskreises Provenienzforschung und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kunsthaus Zürich.
Auch das Schweigen klingt. Bei Boris Nikitin und seinem neuen Text «Das Haus ist leer» klingt es vielschichtig, abgründig, provozierend und ist die Ursache für die Suche nach einem verlorenen Stück jüdischer Familiengeschichte, von dem der Autor erst spät erfährt. Aus dieser auch inneren Reise ist ein theatralischer Essay entstanden, der gleichsam intim und grundsätzlich, verstörend und erhellend ist. Allein auf der Bühne, setzt sich Boris Nikitin dem Schweigen aus und entreisst ihm faszinierende Einsichten über sich und die Welt, dabei ganz auf die Wörter und die Lücken dazwischen setzend.
Omanut ist das hebräische Wort für «Kunst». Nach einem Interview für das Omanut-Radio begann sich die in Israel geborene Pianistin Yaara Tal über das Wort und seine etymologischen Wurzeln Gedanken zu machen. Bei dieser spielerischen Recherche hat sie manche Entdeckungen gemacht von denen sie berichten wird. Ganz wichtig ist ihr auch der grenzüberschreitende Blick. Aus diesem Grund bat sie den mit ihr seit langem befreundeten Schweizer Philosophen Iso Camartin in seinem Wissensschatz zu graben und zu erzählen wie sich das Themenfeld «Kunst» in anderen Sprach- und Kulturgemeinschaften darstellt. «Im Garten der Freundschaft» – ein Titel der auf eine Veröffentlichung von Iso Camartin (C.H. Beck Verlag, München 2011) zurückgeht – soll sich demnach ein vielschichtiges Gespräch über Kunst und Kultur entfalten so wie es Omanut seit 80 Jahren mit verschiedensten Künstlern und Künstlerinnen führt.
Der Kulturverein Omanut wurde im Kriegsjahr 1941 von Emigranten aus der Musik-, Theater- und Kunstwelt gegründet, welche der in Bedrängnis geratenen jüdischen Kultur ein Forum verschaffen wollten. Die Gründungsmitglieder sind heute kaum noch bekannt, doch bereicherten sie das damalige Zürcher Kulturleben: Der Bariton Marko Rothmüller und der Tänzer Heinz Rosen waren beide am Statttheater, dem heutigen Opernhaus, engagiert und Kurt Hirschfeld und Leopold Lindtberg eminente Figuren des für Furore sorgenden Schauspielhauses. Auch Alexander Schaichet und Toni Aktuaryus waren als Orchesterleiter bzw. Galerist unermüdlich als Kulturvermittler tätig. Beruhte Omanuts Programm in seinen Anfängen auf einer innerjüdischen, auch zur Unterstützung Notleidender entwickelten Initiative, bildete es zunehmend die Grundlage für einen offenen Dialog und ist inzwischen tief im Kulturleben der Stadt Zürich verankert.
Vom 30. Juni bis zum 8. August findet im Museum Strauhof eine Ausstellung unter dem Titel «OMANUT trifft JOHN ELSAS. 80 Jahre zwischen Kulturvermittlung und Selbstbehauptung» statt.
Wir laden Sie herzlich zur Verleihung des Omanut-Zwillenberg-Förderpreises 2018 an Vera Markus ein. Die 1969 in Melbourne geborene Fotografin hat Klavier in New York und Berlin studiert. Nach Fotokursen am International Center of Photography (ICP) arbeitete Vera Markus als Fotografin in Tel Aviv, wurde später Bildredakteurin bei der NZZ und ist seit 1999 freiberuflich tätig.
Der tapfere und aufgeweckte Muhi lebt nach einer komplizierten Operation zusammen mit seinem Grossvater in einem israelischen Spital. Eine Rückkehr nach Gaza, wo seine Familie lebt, ist nicht möglich, weshalb der Junge seine Eltern und Geschwister kaum kennt. Nach zwei Jahren spricht er besser Hebräisch als Arabisch und singt die Lieder der jüdischen Feiertage. Als sein Aufenthalt im Krankenhaus nach sieben Jahren zu Ende geht, steht der mittlerweile schulreife Muhi vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens. Ein zärtlicher Film, der Brücken schlägt und die schwierigen Fragen nach Identität, Religion und dem Konflikt, der Muhis Familie trennt, in ein menschliches Licht taucht. Der Erstling der beiden Regisseure Rina Castelnuovo-Hollander und Tamir Elterman gewann beim DocAviv 2017 den Preis für das beste Debüt und eine Goldene Taube beim DOK Leipzig 2017.
Ein Gespräch am Donnerstag, 2. Juli 2015 um 19.30 Uhr mit Arlette Bollag über die Geschichte der Nomadenschätze am Neumarkt 13, über ihre Reisen in ferne Länder, über Kelims, Tülüs, Weberinnen und ihre Traditionen geführt von Karen Roth. Eintritt frei. Im Anschluss an das Gespräch gibt es orientalische Häppchen und ein Glas Wein.
Naomi Leshem hat in ihrem Beitrag für die Ausstellung «Gastspiel – Schweizer Gegenwartskunst im Museum Rietberg», die der Spezialist für ostasiatische Kunst Damian Christinger eingerichtet hat, eine photographische Auseinandersetzung mit einer chinesischen Guanyin-Statue gesucht. Die Besucher sind eingeladen, ihre Reaktionen und Gedanken auf ein Stück Papier zu bringen und dieses – wie bei der Klagemauer – in die Ritzen einer Totem-Figur zu stecken.
Mit der 1955 erschienen Romanchronik «Alles in Allem» beleuchtete Kurt Guggenheim den Zeitraum 1890 bis 1945. Anfang der 70iger Jahre setzte er mit dem Roman «Gerufen und nicht gerufen» die Geschichte Zürichs anhand einer Vielfalt von Figuren und ihrer Schicksale bis 1970 fort. Der Kalte Krieg bestimmt das Klima, die Hochkonjunktur löst nicht nur einen Bauboom, sondern gesellschaftliche Veränderungen aus, mit denen viele nicht zurechtkommen. Auch der im Mittelpunkt stehende Schriftsteller Karl Dinhard beobachtet die Entwicklungen seiner Stadt mit kritischer Distanz. Er findet sich finanziell kaum mehr zurecht und muss sich als Texter für ein soziales Hilfswerk verdingen. Die Figur trägt viele Züge des Autors Kurt Guggenheim, der manchen Zeitgenossen in seinem Roman porträtiert hat, u.a. den Schriftsteller und Gründer des Instituts Minerva David S. Steinberg sowie den Physik-Nobelpreisträger Wolfgang Pauli.
Wie kam Torberg zu den Anekdoten der Tante Jolesch? Robert Sedlaczek Recherche bringt überraschende Querverbindungen ans Licht. Der Neffe Franzl war mit Anton Kuh und Egon Erwin Kisch befreundet, seine Frau Louise verließ ihn, um den Komponisten Hanns Eisler, einen Weggefährten Bert Brechts, zu heiraten. Wie ein Puzzle setzt der Autor das Bild der von Torberg beschriebenen „untergegangenen Welt» neu zusammen.
Die französische Klezmer Band „Horse Raddish» hat sich das jüdische Sprichwort, wonach man nie einen Kundigen nach dem Weg fragen soll, da man sich sonst nicht verirren und verlieren könne, als Leitfaden genommen. Traditionelle Klezmer-Musik reichern sie mit Rock’n Roll und Jazz an. Hier sind fünf Künstler am Werk, die mit Leidenschaft und Spielfreude ein reiches musikalisches Erbe in die Gegenwart führen.
Die Arbeiten der Konzeptkünstlerin Elianna Renner setzen sich mit Biographie, kultureller Erinnerung und Geschichte auseinander. Bei ihrer letzten grossen Einzelausstellung „Bobe Mayses» (2013) schöpfte sie in einer Mischung aus Performance, Audio-Installationen, Fotografie und Film auch aus ihrer Familiengeschichte. Indem sie der Wirklichkeit entnommene Momente durch eine subtile Verschiebung fiktionalisiert, spielt sie auf humorvolle und provokative Weise mit den Grenzen von Objektivität und Subjektivität.
Modemacher Menachem Basman stammt aus Tel Aviv, seine Frau Veronika aus dem Kanton Luzern. Beide führen seit 1985 im Stadtkreis 4 in Zürich ihr ModeAtelier, in dem sie ihre farbigen Kreationen im Bereich der Damen- und Herrenmode anbieten. Beide haben sie in Düsseldorf das Modefach erlernt und in Tel Aviv erstmals gemeinsam ein ModeAtelier eröffnet. Basmans Atelier ist ein Treffpunkt, ein Ort der Kreativität und der Gespräche. Eine Begegnung mit dem Modeentwerfer und ein Gespräch mit den Gästen über Mode, Modefotografie, das Leben im Stadtkreis 4 und über Basmans erste Heimat am Mittelmeer. Moderation: Michael Guggenheimer
In ihrem preisgekrönten Roman «Landgericht» erzählt Ursula Krechel die Geschichte eines Juristen, der aus Nazideutschland auswandern musste, den Krieg in Kuba überlebte, um dann nach Deutschland in ein Land zurückzukehren, in dem man ihn nicht mehr wollte. Seine beiden Kinder, die in England Zuflucht gefunden haben, sind ihm entfremdet, seine Frau, die in Deutschland überwintern konnte, hat in der braunen Zeit zu ihm gehalten, kann ihm aber nach seiner Rückkehr nicht wirklich nahe kommen. Ursula Krechels Roman wurde an der Frankfurter Buchmesse im Hernst 2012 mit den Deutschen Buchpreis (DBP) ausgezeichnet!
Ein Gespräch am 25.2.2013 um 19.30 Uhr mit Henry F. Levy in den Ausstellungsäumen der BINZ39 ̶ Sihlquai 133, 8005 Zürich ̶ über sein Leben, sein Kunst-Engagement, seine Haltung zur jungen KünstlerInnengeneration und vieles mehr, geführt von Dorothea Strauss, Vorstandsmitglied OMANUT.
Die Anthologie «Unterbrochenes Gedicht» stellt ein vergessenes Kapitel der Holocaustliteratur vor: die jiddische Literatur der jüdischen Displaced Persons im besetzten Deutschland. Die erstmals ins Deutsche übertragenen Gedichte und Prosastücke zählen zu den frühesten Versuchen jüdischer Überlebender, sich der erlittenen Katastrophe literarisch zu nähern. Die Übersetzer Tamar Lewinsky und Charles Lewinsky lesen die Texte vor. Moderation: Michael Guggenheimer.
Die Romanautoren David Grossman, Chaim Be’er, Assaf Gavron und Leon de Winter haben sich in der letzten Zeit in ihren Werken mit der Zukunft Israels auseinandergesetzt. Ist es möglich, dass Israel eines Tages nicht mehr existieren wird? Könnte es sein, dass das Land kleiner werden wird? Ist denkbar, dass die Wasserverwaltung in Nahost von einem chinesischen Konzern übernommen wird? Wird das israelische Schrifttum nur noch in US-Museen gesammelt werden?
Unter den Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die durch die Jahrhunderte in Zürich Zuflucht suchten und fanden waren vor allem in den Jahren des Ersten und vor dem Zweiten Weltkrieg auch manche jüdische Autoren. Aus den Beständen der Zürcher Zentralbibliothek hat Raffael Keller im Predigerchor eine Ausstellung aus verschiedenen Nachlässen, die in der ZB aufbewahrt werden, zusammengestellt.
Das Animé Trio wurde von den Musikerinnen Noëmi Rueff (Klavier), Angelika Som (Violine) und Katharina Kühne (Cello) im Jahr 2008 gegründet. Französisch animé bedeutet bewegt, beseelt. Und so ist das Spiel der drei Interpretinnen. Die Impressionisten haben animé als musikalische Umschreibung verwendet. Deren Kompositionen bilden den Schwerpunkt der Arbeit von Animé.
Rosies Urgrossvater kennt noch die liebenswert-klugen, traurig-komischen jüdischen Geschichten aus seiner österreichischen Heimat, und er kann sie wunderbar erzählen. Rosie selbst ist ein wildes amerikanisches Grossstadtmädchen, aber etwas Schöneres, als dem Urgrossvater zuzuhören, kann sie sich kaum vorstellen.
Lesewerkstatt mit der in Jerusalem lebenden Übersetzerin Anne Birkenhauer, die für die Verlage Suhrkamp, Hanser, Rowohlt sowie dtv hebräische Romane und Lyrik übersetzt, und gemeinsam mit dem israelischen Autor David Grossman im April mit dem „Albatros Preis“ der Günter Grass-Stiftung ausgezeichnet wird. Im ersten Teil der Veranstaltung wird David Grossmans Roman „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“ stehen, der im Herbst 2009 bei Hanser erschienen ist.
Die schweizerische Flüchtlingspolitik ist Gegenstand vieler Publikationen und war hierzulande schon mehrmals Auslöser für hitzige Debatten. Im Schatten dieser «grossen Geschichte» stehen individuelle Erlebnisse von Betroffenen, ihren Helfern und Verfolgern. Dank der Aufarbeitung des «Falles Grüninger» sind die Geschehnisse an der Ostschweizer Grenze während der Kriegsjahre gut dokumentiert, was von den Vorgängen in den Schweizer Südtälern nicht behauptet werden kann. Ende 2024 ist im Verlag Hier und Jetzt ein Werk zu Flüchtlingsbewegungen im Fextal und im Bergell erschienen und hat Omanut dazu angeregt, in einer speziellen Reihe mit Vorträgen, Buch- und Filmpräsentationen sowie Ausflügen bisher kaum beleuchtete Aspekte der Schweizer Flüchtlingsgeschichte aufzuzeigen. Sie soll in einer Zeit, in der Migration ein Thema der Stunde ist, zum Nachdenken und Mitfühlen anregen.
Omanut hat vom inzwischen aufgelösten Verein für jüdische Kultur und Wissenschaft die schöne Aufgabe übernommen, den Tag des jüdischen Buches jeweils am ersten Sonntag im März zu einem übergeordneten Thema zu veranstalten. Aufgrund der anhaltenden Verunsicherung im Zusammenhang mit der Lage im Nahen Osten und deren Auswirkungen, die bis nach Zürich ausstrahlen, hat sich Omanut für Erzählungen über jüdische Katastrophen entschieden. Zu Beginn soll Arnold Zweigs Roman «De Vriendt kehrt heim», der die Ermordung des jüdischen Dichters, Juristen und Aktivisten Jacob Israël de Haan mit dem arabischen Aufstand von 1929 verbindet, vorgestellt werden. Das 1932 erschienene Buch legt nicht nur die innerjüdischen Spannungen während der Mandatszeit der Briten, sondern auch die Zerrissenheit eines jüdischen Intellektuellen von damals offen. Nur ein Jahr später erschien Heinz Liepmans Roman «Das Vaterland», der auf dramatische Weise die innert kürzester Zeit veränderte politische Lage in Deutschland nach der Machter-greifung der Nationalsozialisten beschreibt. Die sich bereits in diesem Text abzeichnende Vernichtung der Juden wird am Tag des jüdischen Buches mittels eines eindrücklichen und intimen Zeugnisses der in Israel lebenden Lyrikerin und Künstlerin Yvonne Livay-Cholewa beleuchtet. Die soziopolitischen Ver-werfungen nach dem Massaker vom 7. Oktober sind noch keineswegs abzuschätzen. Aber jüdischer Humor hilft erfahrungsgemäss, Schrecknisse auf Distanz zu halten, weshalb ein Programm von Alexander Estis und Alexander Paperny zu «Antisemitismus und andere jüdische Zores» den Tag abrundet. Und am Vorabend soll als Prolog Uri Jitzchak Katz’ wortgewaltiges Werk «Aus dem Nichts kommt die Flut» (2024) aufzeigen, was das Erzählen für ein wunder- und heilsames Mittel ist – auch gegen Katastrophen.
Wie bleiben wir verwurzelt, wenn alles ins Wanken gerät? Die Frage hat die französische Philosophin Simone Weil (1909–1943) zeitlebens umgetrieben. In ihren Schriften hat sich Simone Weil intensiv mit den Mechanismen der Macht, mit Formen der Gewalt sowie der Verführungskraft von Ideologien auseinandergesetzt. In ihrem Werk blickt sie immer wieder in die gewaltsame Vergangenheit, um dadurch die Gegenwart zu erhellen. In Essays wie „Die Ilias oder das Poem der Gewalt“, den Simone Weil Ende der dreissiger Jahre verfasste, entwirft sie mit gnadenloser Klarheit das Szenario des drohenden Terrors. Eine szenische Lesung von Sascha Ö. Soydan in der Regie von Nicole Oder und mit Musik von Heiko Schnurpel lassen das Porträt einer wachsamen Zeitzeugin und kontroversen Denkerin entstehen, die ihr kurzes Leben dem pazifistischen Widerstand und dem politischen Kampf gegen den Faschismus gewidmet hat. «Weil jetzt!» zeigt, wie aktuell die Gedanken Simone Weils heute sind.
Noemi Gradwohl war eine preisgekrönte Moderatorin und Sprecherin. Bei der ersten Ausgabe der SEFERIA verantwortete sie mit viel Charme und Souveränität das Format «Open Mike». In Erinnerung an die viel zu früh verstorbene Radiojournalistin und Schauspielerin, welche sich für die Theater- und Kunstwelt genauso interessierte wie für Kinderliteratur, haben wir eine vielfältige Hommage zusammengestellt.
Shifra Kupermans erster Roman spielt in Basel und erzählt die Geschichte einer Dreiecksbeziehung zwischen zwei Männern und einer Frau, jeder mit seinen eigenen Gedanken, Sehnsüchten und Zielen. Die aus Israel und der Schweiz stammenden Protagonisten sprechen untereinander Deutsch – in einem auf Hebräisch verfassten Text. «Rikud ha-Aviv» ist ein literarisch-philosophischer Tanz zwischen Sprachen und Ländern, zwischen Moderne und Antike, zwischen platonischer Liebe und Erotik. Das Gespräch zwischen drei Personen nimmt die Grundkonstellation und die Vielschichtigkeit des Romans auf: Shifra Kuperman ist nicht nur Autorin, sondern auch Dozentin für Jiddisch; Judith Müller ist Literaturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt moderne hebräische Literatur und Oded Fluss ist Bibliothekar und schreibt Texte rund um das jüdische Buch.
Die Gedichte von Agi Mishol, 1946 in Transsilvanien geboren, sind sehr irdisch, sehr menschlich und ungeschminkt; sie sind im Alltag der Dichterin verankert, die in einem Moschaw in der Nähe von Gedera lebt. Flora und Fauna, der Anbau von Persimonen und Granatäpfeln bestimmen ihre Lyrik, die immer wieder die ethische Position der Verantwortung verhandelt. Ob sie über einen umgepflanzten Olivenbaum schreibt, der für die Entwurzelung der Palästinenser steht, oder von einer zwanzigjährigen Schahidin, die „unterm weiten Kleid schwanger mit Sprengstoff“ geht. Ihre oft humorvollen Gedichte machen trotzdem Hoffnung, denn auch wenn es „unter der Sonne nichts Neues gibt / über ihr vielleicht schon“. Ihren empathischen Blick auf die Welt hat die Übersetzerin Anne Birkenhauer feinfühlig eingefangen. Die Übertragung einer Auswahl von Agi Mishols Lyrik ist dieses Jahr unter dem Titel «Gedicht für den unvollkommenen Menschen» im Hanser Verlag erschienen.
Promoviert wurde Lili Körber Mitte der 1920er Jahre mit einer Arbeit über die Lyrik Franz Werfels. 1930 reiste sie mit Anna Seghers und Johannes R. Becher aus Interesse an den sowjetischen Verhältnissen nach Russland, wo sie 1897 in Moskau als Tochter des aus dem galizischen Tarnow stammenden Kaufmanns Ignaz Körber und dessen polnischer Ehefrau Jeanette geboren wurde. Ihre Erlebnisse beschrieb sie im Buch «Eine Frau erlebt den roten Alltag», das 1932 noch in Deutschland erscheinen konnte. Die folgenden Ereignisse fanden Eingang in die Schrift «Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland», die 1934 bei Richard Lany in Wien publiziert wurde. Nachdem die österreichische Ausgabe 1935 auf den Index kam, erfolgte ein Nachdruck im Verlag der Genossenschaftsbuchhandlung Zürich. Nach dem sogenannten Anschluss floh Lili Körber über Zürich nach Paris. Trotz Neuausgaben einiger ihrer Bücher ist die 1982 im amerikanischen Exil verstorbene Autorin nahezu unbekannt geblieben. Immerhin hat der Wiener Verlag Brandstätter 1988 «Eine Österreicherin erlebt den Anschluss» herausgegeben. Die Vorlage war 1938 im Berner Volksrecht unter dem Pseudonym Agnes Muth als Fortsetzungsroman erschienen.
«Wiedergutmachung» - ein papierenes Wort für die Fortsetzung der Entrechtung der Juden mit anderen Mitteln. So erlebt Nadine Olonetzky den Versuch ihres Vaters, für die erfolgte Enteignung und Inhaftierung, die er selbst und seine Familie erlitt, Entschädigung zu erhalten. Sie erfährt von diesen Vorgängen der Nachkriegszeit erst lange nach dem Ableben des Vaters, was die immer mehr Raum einnehmenden Recherchen umso schmerzlicher und wichtiger machten. Viele Fragen bleiben offen. Und so wie die Gartenpflanzen in den Intermezzi des Buches «Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist» (S. Fischer Verlag, 2024) erblühen und verwelken, verrinnt die Zeit und mit ihr das Wissen um die Untaten. Gut, dass sich Nadine Olonetzky auf behutsame Weise den Ereignissen annähert und die Dinge beim Namen nennt.
Von Dana von Suffrins erfrischendem Humor, ihrer menschlichen Klugheit und feinen Ironie kann man nicht genug bekommen - und auch nicht von ihrem Figurenarsenal: ein Vater, eine Mutter und zwei Schwestern. Nach der Präsentation ihres Erstlings «Otto» (Kiepenheuer & Witsch, 2019) ist die Autorin erneut bei Omanut zu Gast und wird im Gespräch mit dem ZEIT-Redaktor Sascha Chaimowicz neben ihrem neusten Roman «Nochmal von vorne» (Kiepenheuer & Witsch, 2024) ihre eben erschienene Anthologie «Wir schon wieder» (Rowohlt Verlag, 2024) vorstellen. In Dana von Suffrins Beitrag zu den von ihr gesammelten «16 jüdischen Erzählungen» steht wiederum der aus Israel nach Deutschland übersiedelte Vater im Mittelpunkt und das Ende ist unheilvoll. Das Vorwort nimmt die düstere Stimmung bereits vorweg. Darin schreibt Dana von Suffrin, dass das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden schon immer kompliziert, nach dem 7. Oktober gar neurotisch ist und «zuletzt oszilliert es nicht selten zwischen Enttäuschung und Verrat». Es geht an diesem Abend also auch um Zuschreibung von Identität und Jüdisch-Sein in Deutschland heute.
Seit der Antike wurden das Exil und die Diaspora der Juden im jüdischen Denken – und auch im christlichen – theologisch und politisch unterschiedlich interpretiert. Tatsächlich ist die Terminologie von Golah, Geulah selbst von religiöser Bedeutung: Leben Juden ausserhalb des Landes Israel im Exil oder einfach in der Diaspora? Befindet sich das Judentum in einem Zustand des Exils, wenn es ausserhalb des Landes und ohne den Jerusalemer Tempel praktiziert wird? Für einige jüdische Denker ist der Zionismus ein Höhepunkt, eine Erlösung, die die Diaspora negiert. Für andere hingegen ist der politische Zionismus ein ketzerischer Verstoss gegen Gottes Versprechen, die Juden zu erlösen. Im Laufe der Geschichte entwickelten jüdische Denker in zum Teil kontroversen Debatten Positionen zu Exil und Diaspora. Dazu gehörten mittelalterliche Messianiker und rabbinische Rechtsautoritäten, chassidische Denker, europäische und arabische Juden, Assimilationisten, Zionisten und Sozialisten, religiöse Nationalisten und Antizionisten.
Der in Israel geborene Komponist von elektronischer Musik Janiv Oron tritt als Performer in verschiedenen Formationen auf. Mit seinem Bruder Eres ist er seit über 20 Jahren sehr erfolgreich als DJ-Duo Goldfinger Brothers unterwegs. Eine Familiengeschichte ist auch sein neustes Werk Different Names, welches Omanut in Auftrag gegeben hat. Eine biografisch inspirierte Arbeit, deren klangliche Abstraktion sich direkt in der Struktur und der Atmosphäre der Musik niederschlägt: Feldaufnahmen, O-Töne seiner Familie, musikalisch arrangierte Versatzstücke, Ersatzteile eines Panzers, ein Spion und eine Reiseroute von Marokko nach Israel verschmelzen in der Komposition. Bei Janiv Oron schichten sich die Klänge und blitzen die Harmonien unter straffen, digitalen Schürfungen hervor. Mit Buchla Easel Synth-Arrangements, Drum-Verzerrungen und Sub-Sounds schafft er eine zeitgenössische Ambient-Sphäre.
Als der Bariton Marko Rothmüller, der 1932 in Zagreb mit dem Autor Hinko Gottlieb und dem Kaufmann David Spitzer den Kulturverein Omanut gegründet hatte, 1936 ein Engagement ans Zürcher Stadttheater erhielt, konnten seine kroatischen Freunde ihren Aktivitäten noch nachgehen.
In Wien gab es den Mittwochskreis um Sigmund Freud; in Zürich betreibt Omanut die Mittwochsbeijz, die von vielseitig begabten Mitgliedern belebt wird. Der Germanist und Schauspieler Wolfram Schneider-Lastin wird das von ihm herausgegebene, soeben im Rotpunktverlag erschienene Buch «Fragen hätte ich noch. Geschichten von unseren Grosseltern» präsentieren. Aus der Publikation werden die Autoren Ruth Werfel (Kulturjournalistin, Lyrikerin und Exilspezialistin), André Seidenberg (Arzt) und Oded Fluss (Archivar und ICZ-Bibliothekar) ihre Texte vortragen. Letzterer wird nach einem wienerisch inspirierten Imbiss zu Karl Kraus überleiten, so dass die abgesagte Lesung zum 150. Geburtstag des bedeutenden Satirikers mit dem Schauspieler Stephan Witschi doch noch stattfinden kann. Für einmal werden Fackeln die Beijz erhellen und Totenmasken alle bösen Geister fernhalten. Das Makabre, der Witz und die Gemütlichkeit werden an diesem Abend Wien nach Zürich bringen – und damit einen Kreis schliessen.
In Wien gab es den Mittwochskreis um Sigmund Freud; in Zürich betreibt Omanut die Mittwochsbeijz, die von vielseitig begabten Mitgliedern belebt wird. Der Germanist und Schauspieler Wolfram Schneider-Lastin wird das von ihm herausgegebene, soeben im Rotpunktverlag erschienene Buch «Fragen hätte ich noch. Geschichten von unseren Grosseltern» präsentieren. Aus der Publikation werden die Autoren Ruth Werfel (Kulturjournalistin, Lyrikerin und Exilspezialistin), André Seidenberg (Arzt) und Oded Fluss (Archivar und ICZ-Bibliothekar) ihre Texte vortragen. Letzterer wird nach einem wienerisch inspirierten Imbiss zu Karl Kraus überleiten, so dass die abgesagte Lesung zum 150. Geburtstag des bedeutenden Satirikers mit dem Schauspieler Stephan Witschi doch noch stattfinden kann. Für einmal werden Fackeln die Beijz erhellen und Totenmasken alle bösen Geister fernhalten. Das Makabre, der Witz und die Gemütlichkeit werden an diesem Abend Wien nach Zürich bringen – und damit einen Kreis schliessen.
Der Arzt und Autor Hans Keilson bezeichnete die Verwandtschaft zwischen Psychoanalyse und Literatur, die sein Leben auf weite Strecken bestimmte, als «Zwillingspferde». Beide hätten zum Ziel, «menschliche Gefühle aufzudecken». Ganz ähnlich formulierte es Marcel Reich-Ranicki, der Medizin und Literatur als «Geschwister» bezeichnete, die beide «gegen die Vergänglichkeit rebellieren». Hans Keilson, der 2011 mit 101 Jahren verstarb, ist dem Tod tatsächlich sehr lange von der Schippe gesprungen. Dennoch war dieser in seinem Leben allgegenwärtig: Mit dem Aufstieg Hitlers war Keilsons Leben und das seiner Familie bedroht. Auch wenn ihm und seinen Eltern die Emigration in die Niederlande gelang, überlebte nur er die Besetzung des Landes durch die Nationalsozialisten. Bis an sein Lebensende warf er sich vor, dass er nicht auch für seine betagten Eltern eine Unterschlupfadresse besorgen konnte. Nach dem Krieg verblieb er zwar in den Niederlanden, wo er als Psychoanalytiker wirkte und u.a. ein Standardwerk zur sequentiellen Traumatisierung bei Kindern schrieb, doch zog ihn die deutsche Kultur weiterhin an.
Carte Blanche für Mikki Levy-Strasser! Der Bühnenbildner und Kulturveranstalter bespielt zusammen mit dem Choreographen Tomer Zirkilevich einen Tag lang die Beijz und gestaltet einen Raum des Dialogs mit Kunst, Canapés, Drinks und Musik! Alle Communities sind willkommen, von queer bis nicht-queer, von alt bis jung!
Der in Berlin lebende israelische Künstler Ariel Efraim Ashbel geht bei seiner künstlerischen Praxis oft von jüdischen Traditionen aus: In seinem erfolgreichen Stück «The Names / שמות» nimmt er die wöchentliche Tora-Lesung als Ausgangspunkt für eine Performance, in der traditionelle jemenitische Sounds, Arnold Schönbergs Oper «Moses und Aron» sowie popkulturelle Versatzstücke zu einem mitreissenden Ganzen arrangiert werden. Zu Ashbels Team gehört auch der Autor und Philosoph Senthuran Varatharajah, mit dem er neben der Zürcher Adaption von «The Names / שמות» im Rahmen des Festivals «Drop Out» (www.gessnerallee.ch) für Omanut einen exklusiven Abend in der «Beijz» gestalten wird. Ein gemeinsames Begrüssen des Schabbats soll die Bedeutung der kollektiven Feier als stetig erneuertes Versprechen auf Verbindlichkeit und Gemeinschaft, auf Offenheit und Inklusion bekräftigen - sinnlich und intellektuell.
Wir probieren noch stets verschiedene Möglichkeiten aus, eine lebendige Beijz-Kultur zu gestalten. Aus dem Publikum kam der Wunsch, die Beijz als Co-Working-Space anzubieten. Leider ist dies aufgrund unserer Mietver-hältnisse nicht regelmässig möglich. Einen Versuch ist diese Idee jedoch auf jeden Fall wert. Am 19. Juni öffnen wir den Raum als Arbeitsplatz. Natürlich ist die Bar der Beijz den ganzen Tag bedient; gerne bewirten wir alle Lern- und Studierwilligen mit verschiedenen Getränken und kleinen Speisen.
Mit Willy Guggenheim, alias Varlin (1900-1977), und mit Miriam Cahn sind gleich zwei international renommierte jüdische Kunstschaffende von ihren jeweiligen Geburtsstätten Zürich und Basel ins Bergell gezogen. Das Tal ist abgeschieden und offen zugleich, denn es verbindet die Schweiz mit Italien und hat vielleicht gerade deshalb so viele Künstler und Künstlerinnen hervorgebracht und angezogen.
In Anlehnung an Omri Boehms «Republik Haifa» und seiner Forderung nach gleichen Rechten für alle Bürgerinnen und Bürger Israels will Omanut mit dem «Salon Haifa» Menschen unterschiedlichster Herkunft zum Gespräch bitten. In verschiedenen Formaten soll darüber debattiert werden, wie wir heute hier in der Schweiz und in Europa zusammenleben wollen. Dabei soll diversen Ansichten Raum gegeben werden, die auch Unsicherheiten und Ambivalenzen einschliessen können, denn zur Erkenntnis gelangt man nur über fragen, zweifeln, irren und überdenken. Und zur Menschlichkeit nur über Empathie, Neugierde und Offenheit. Dafür wollen wir einstehen - gerne mit Ihnen!
Am 4. September 1897, anlässlich des 64. Geburtstags seines Vaters, schrieb der junge, noch namenlose Karl Kraus einen Brief an seinen älteren Bruder Richard, der eine unbekannte Seite des später gefürchteten und einflussreichen Kritikers und Schriftstellers zeigt. Seinem Bruder klagt er sinngemäss, dass der Vater keinen gebildeten Sohn wolle. Anhand dieses emotionalen Schreibens soll der Mensch Karl Kraus beleuchtet werden: Im Mittelpunkt stehen dabei das Verhältnis zu seiner Familie, insbesondere zu seinem Vater, und zu seiner jüdischen Herkunft sowie seine Haltung zur zionistischen Bewegung, deren Vertreter vergeblich um ihn warben.
Wir sind jeweils an den letzten zwei Mittwochen des Monats von 10 Uhr bis 19 oder 22 Uhr geöffnet, je nachdem, ob nach der Apéro-Zeit noch ein kultureller Anlass folgt. Es empfiehlt sich, unsere Website vorab zu konsultieren: www.omanut.ch/beijz. Wir probieren laufend neue Dinge aus, doch wollen wir immer neben einem kleinen Frühstücksangebot ein einfaches Mittagsmenu anbieten: Am 22. Mai wird der mit uns befreundete Galerist Stephan Witschi Risotto kochen.
Ein frustrierter Auftragsfilmer verliebt sich in eine Klezmer-Klarinettistin und begibt sich mit ihr auf die Suche nach einer beinahe verschwundenen jüdischen Musiktradition. Im Länderdreieck Ukraine- Rumänien-Moldawien, auf welchem sich das einstige «Jiddischland» erstreckte, finden die beiden jüdischen Argentinier bei lokalen Bands Spuren der einst blühenden Klezmer-Kultur. Auf diese Weise dokumentieren Leandro Koch und Paloma Schachman, die sich im Film selber spielen und gleichzeitig Regie führen, die letzten Bandmitglieder der legendären Técsői Band und andere wunderbare Roma Musiker, die das Erbe des Klezmers pflegen.
Kafkas «Brief an den Vater», 1919 höchst wortkräftig geschrieben, aber nie abgeschickt, sondern erst 1952 veröffentlicht, ist ein ebenso bemerkenswertes wie schwieriges Dokument voller Ambivalenzen: Es ist autobiographisch und zugleich literarisch, klärend und zugleich irreführend, verteidigend und zugleich angriffig, aufrichtig und zugleich täuschend. Während es meist vorschnell als sicheres Zeugnis zu Kafkas Biographie zitiert wird, handelt es sich aber tatsächlich um eine literarisch und rhetorisch äusserst gekonnte Selbsterfindung. Wie das Kafka gelang, wird mit Kommentaren ebenso wie mit Auszügen aus dem Brief vor Augen geführt.
Am 4. September 1897, anlässlich des 64. Geburtstags seines Vaters, schrieb der junge, noch namenlose Karl Kraus einen Brief an seinen älteren Bruder Richard, der eine unbekannte Seite des später gefürchteten und einflussreichen Kritikers und Schriftstellers zeigt. Seinem Bruder klagt er sinngemäss, dass der Vater keinen gebildeten Sohn wolle. Anhand dieses emotionalen Schreibens soll der Mensch Karl Kraus beleuchtet werden: Im Mittelpunkt stehen dabei das Verhältnis zu seiner Familie, insbesondere zu seinem Vater, und zu seiner jüdischen Herkunft sowie seine Haltung zur zionistischen Bewegung, deren Vertreter vergeblich um ihn warben.
Als Irit Sommer 2016 ihren Salon in Zürich eröffnete, war sie keine Unbekannte, sondern eine der führenden Galeristinnen Israels. In Tel Aviv besteht ihre Sommer Gallery seit 1999 und betreut international erfolgreiche Künstler und Künstlerinnen wie Yael Bartana, Guy Ben Ner, Rineke Dijkstra und Ugo Rondinone. Das Gespräch mit Irit Sommer wird die Kulturjournalistin Susanna Koeberle in der aktuellen Ausstellung «Now» der in Jerusalem geborenen Künstlerin Tamar Harpaz führen. Die Installation «Now» verwendet Haushaltsgegenstände, Licht und Ton, welche die Beziehung der Betrachtenden zu alltäglichen Objekten und dem häuslichen Raum herausfordern. Omanut hat bereits mehrfach Kunstschaffende vorgestellt, die von der Sommer Gallery vertreten werden: Marion Baruch liegt sowohl Irit Sommer als auch Susanna Koeberle besonders am Herzen.
Durch die Ausstellung «Close-Up. Eine Schweizer Filmgeschichte» im Landesmuseum Zürich wird Martin Dreyfus führen. Sein Wissen über die komplexen Befindlichkeiten jüdischer Emigranten und Emigrantinnen in der Schweiz der 30er und 40er Jahre gibt der informativen Schau über 100 Jahre Praesens-Film eine zusätzliche Tiefe. Zu der Gruppe eingewanderter Kulturschaffender gehörte neben dem Ingenieur und Filmproduzenten Lazar Wechsler auch der Regisseur und Omanut-Gründervater Leopold Lindtberg. Ihre Zusammenarbeit ist legendär. Zu den Filmen, welche die beiden zur «geistigen Landesverteidigung» beisteuerten, gehört auch der 1941, also im Gründungsjahr von Omanut gedrehte «Landammann Stauffacher».
Zeruya Shalevs Debütroman verstörte bei seinem Erscheinen 1993 die israelische Leserschaft durch seine traumhaft und grotesk erzählte Innensicht einer jungen Frau und Mutter. 30 Jahre später kann sich nun auch das deutschsprachige Publikum eine Meinung zu diesem taumelnden Sprachwerk machen, das in der sorgfältigen Übersetzung von Anne Birkenhauer soeben im Berlin Verlag erschienen ist. Der Roman liest sich wie eine erweiterte Fassung von Jakob van Hoddis’ expressionistischem Gedicht «Weltende». Bei ihm fallen Eisenbahnen von den Brücken, bei Zeruya Shalev Vögel vom Himmel. Gleichzeitig birgt dieses Werk die Ursprünge ihres späteren literarischen Schaffens und ist erschreckend aktuell. Die Themen Liebe, Familie, Lust und Leid sowie Shalevs reiche Sprache sind schon da, erscheinen hier aber als Klagegesang einer rebellischen Protagonistin. Diese widersetzt sich den Erwartungen an eine Mutter, Geliebte und Ehefrau, während sie an den gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen zerbricht und ihren Schmerz herausschreit.
Guy Ben Ner, 1969 in Ramat Gan geboren, ist ein vielschichtiger und subversiver Künstler. Sein Medium ist der Film, dessen Gesetze er ganz genau kennt und dessen Ahnen er zitiert. So lernt man ihn im Laufe der Ausstellung als einen Buster Keaton des frühen 21. Jahrhunderts kennen, der mit grosser Konzentration den Ast absägt, auf dem er sitzt. Als Protagonist in seinen eigenen Filmen bindet er zudem seine Familienmitglieder in seine Arbeiten mit ein, allen voran seine Kinder. Durch das Spiel mit den Parametern des Heimvideos lässt er den doppelten Boden der vermeintlichen Realität sichtbar werden, aber auch ihre Komik und Konstruiertheit. So zieht die Familie in «Stealing Beauty» (2007) realiter in eine Ikea Filiale ein und lässt sich dort buchstäblich häuslich nieder. Ausgehend vom Satz «Honey, I’m home», spielen Vater, Mutter und Kinder ein normal anmutendes Familienleben nach und zwar solange, bis sie des Platzes verwiesen werden, um dann die Aktion umstandslos in einer anderen Filiale fortzusetzen. Wer sich einmal mit «Stealing Beauty» beschäftigt hat, wird nie wieder die inszenierten Lebenswelten einer Möbelausstellung durchwandern können, ohne das Gespenst der Familie Ner auf dem Sofa sitzen und über Marx diskutieren, im Bett liegen oder am Frühstückstisch streiten zu sehen.
Das Konzert mit Ilya Gringolts (Violine), Lawrence Power (Viola) und Nicolas Altstaedt (Violoncello) erkundet Kammermusikwerke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Während Arnold Schönberg in seinem Streichtrio die Musik bis zur akustischen Schmerzgrenze trieb, blieben Frank Martin und Bohuslav Martinů einem harmonischen Ideal treu. Gideon Klein bewegte sich dazwischen: Sein letztes, in Theresienstadt geschriebenes Werk, wurde bei Omanut bereits vergangenen Oktober präsentiert. Nun erklingt dieses Streichtrio, in dem der 1919 in Prag geborene Komponist auf mährische Volkslieder zurückgriff, in exzellenter Besetzung im Rahmen des Mizmorim Kammermusik Festivals, das heuer sein 10-jähriges Jubiläum feiert.
Chantal Akerman war wohl eine der ungewöhnlichsten Filmemacherinnen ihrer Zeit. Nicht zuletzt, weil sie als Frau den Kamerablick radikal veränderte und weil sie als Tochter polnisch-jüdischer Holocaust-Überlebender in den westlichen Metropolen keine Heimat, sondern ein permanentes Provisorium sah.
Die russische Revolution von 1917 hatte grossen Einfluss auf die Geschlechterbeziehung und förderte die Gleichstellung von Mann und Frau. Der berühmteste sowjetische Spielfilm der 1920er Jahre, der das populäre Konzept der freien Liebe propagiert, ist «Bett und Sofa» (1927) des Regisseurs Abram Room nach dem Drehbuch des Kritikers und Schriftstellers Viktor Schklowski. Darin wird das Verhältnis einer Frau – als reales Vorbild diente die ausgebildete Architektin Lilja Brik, die Geliebte des Dichters Wladimir Majakowski - zu zwei Männern beleuchtet. Sie verlässt letztlich als Schwangere beide und übernimmt die Verantwortung für sich und ihr Kind.
Die Massaker der Hamas an der israelischen Zivilbevölkerung haben den Philosophen Omri Boehm tief erschüttert. Gleichzeitig denkt er weiter über die Zukunft eines Zusammenlebens zwischen Israelis und Palästinensern nach. Wer ihm vorhält, seine Ideen seien utopisch, dem gibt er zu bedenken, dass die bisherige Praxis die Katastrophe nicht verhindert hat. Und erst Recht keinerlei Ausweg aus der politischen Sackgasse verspricht. Die Verpflichtung beider Parteien zur Humanität sei der einzige Weg zu einer friedlichen Lösung.
Jonas Fränkel hat als Herausgeber von Gottfried Kellers Sämtlichen Werken höchstes Lob und vernichtende Kritik erfahren. Als er 1926 sein ambitioniertes Projekt lancierte, war Walter Benjamin rundum begeistert. „Philologisch kühn“ sei die Arbeit, die Lektüre des Anhangs mit dem klug sortierten Variantenverzeichnis ein reines „Vergnügen“, schrieb er in seiner Rezension. Die Zürcher Regierung hingegen distanzierte sich zusehends von der Arbeit des in Bern lehrenden jüdischen Privatdozenten und entzieht ihm 1942 die Herausgeberschaft.
Es ist eine unerwiderte Liebe, die Liebe des in Krakau aufgewachsenen und in Bern promovierten Literaturwissenschaftlers Jonas Fränkel (1879 – 1965) zur Schweiz. Zwar lebte er ab 1920 auf der Riedegg in Thun und unterhielt zeitlebens Freundschaften zu Schweizer Intellektuellen, doch sein unermüdlicher Einsatz für Schweizer Autoren wie Gottfried Keller und Carl Spitteler wurden ihm schlecht gedankt. Ausserdem verdüsterte sich sein positives Bild von der Schweiz auch aufgrund der Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkrieges, dem ein grosser Teil seiner polnischen Familie zum Opfer fiel. Besonders schmerzte ihn, dass seine Schwester Sidonia Wald-Fränkel aus Antwerpen auf einer abenteuerlichen Flucht durch Frankreich schliesslich an der Schweizer Grenze abgewiesen wurde und 1942 einen schrecklichen Tod in Auschwitz fand: «Ich stehe ganz unter dem Eindruck der entsetzlichen Meldungen aus Berlin», schreibt er schon am 14.November 1938 an seinen Freund Carl Albert Loosli.
Es ist eine unerwiderte Liebe, die Liebe des in Krakau aufgewachsenen und in Bern promovierten Literaturwissenschaftlers Jonas Fränkel (1879 – 1965) zur Schweiz. Zwar lebte er ab 1920 auf der Riedegg in Thun und unterhielt zeitlebens Freundschaften zu Schweizer Intellektuellen, doch sein unermüdlicher Einsatz für Schweizer Autoren wie Gottfried Keller und Carl Spitteler wurden ihm schlecht gedankt. Ausserdem verdüsterte sich sein positives Bild von der Schweiz auch aufgrund der Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkrieges, dem ein grosser Teil seiner polnischen Familie zum Opfer fiel. Besonders schmerzte ihn, dass seine Schwester Sidonia Wald-Fränkel aus Antwerpen auf einer abenteuerlichen Flucht durch Frankreich schliesslich an der Schweizer Grenze abgewiesen wurde und 1942 einen schrecklichen Tod in Auschwitz fand: «Ich stehe ganz unter dem Eindruck der entsetzlichen Meldungen aus Berlin», schreibt er schon am 14.November 1938 an seinen Freund Carl Albert Loosli.
In seinem Roman Schwachstellen, der eben beim Zürcher Verlag Kein und Aber erschienen ist, verhandelt der israelische Autor Yishai Sarid ethische Fragen künstlicher Intelligenz in Form eines psychologischen Thrillers. Ein junger Computerspezialist, eben aus dem israelischen Militär entlassen und bereits mit geheimen, komplexen und hochbrisanten Aufgaben betraut, verstrickt sich immer mehr in einer Schattenwelt von Macht und Politik. Die moralischen und soziopolitischen Herausforderungen von KI sind Thema dieses Abends. Nach einem kurzen Referat von Yishai Sarid zum Thema wird er mit Magarita Boenig-Liptsin, ETH-Assistenzprofessorin für Ethik, Technologie und Gesellschaft, ins Gespräch treten. Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.
Sefer ist das hebräische Wort für Buch und dieses steht im Zentrum des eintägigen Festivals, das Omanut gemeinsam mit dem Jüdischen Museum der Schweiz und dem Wochenmagazin Tachles initiiert hat. Wir wollen das Buch als offenen Raum denken, der zur Auseinandersetzung und zur Reflexion einlädt. Und wir wollen unterschiedliche Stimmen versammeln, die das Feld der Literatur durch ihr Schreiben, Verlegen und Vermitteln immer wieder neu bestellen und umpflügen. Die Gäste kommen aus Israel, Deutschland, Frankreich und der ganzen Schweiz in die Messe- und Buchstadt Basel, die als reger und aufgeschlossener Ort als Inspirationsquelle dienen soll.
Die bekannte Schriftstellerin Zadie Smith widmete ihrem Freund Adam Andrusier vor rund 20 Jahren mit dem Buch «Der Autogrammhändler» ein liebevolles Porträt. Nun hat er seinerseits mit «Tausche zwei Hitler gegen eine Marilyn» (Unionsverlag 2023) einen eindrücklichen Roman über seinen Werdegang vorgelegt. Darin schildert er mit Witz und Verve, wie seine kindliche Leidenschaft zum Beruf wurde und erwähnt auch seine Zweitausbildung als Musiker. Aus diesem Grund wird die Zürcher Lesung mit der Aufführung des Streichtrios für Violine, Viola und Violoncello von Gideon Klein (1919 - 1945) ergänzt: Damit kommt einer der Lieblingskomponisten Adam Andrusiers zum Zuge und wird gleichzeitig das Thema des Holocaust angeschnitten, das seine Familiengeschichte wesentlich geprägt hat. Im auf Englisch geführten Gespräch mit Marcy Goldberg wird der Autor diese Zusammenhänge aufdecken und verraten, warum er es bis heute für einen «verrückten Zufall» hält, dass er sein Geld mit Autografen verdient.
Der 1873 in Wien geborene Kritiker, Schriftsteller und Übersetzer Alfred Polgar verliess 1933 unmittelbar nach dem Reichstagsbrand Berlin Richtung Prag. Den «Anschluss» Österreichs erlebten er und seine Frau Elise Loewy 1938 in Zürich, wo ihm keine Arbeitserlaubnis erteilt wurde. Das Ehepaar floh nach Paris, dann über Marseille nach Spanien und rettete sich schliesslich 1940 dank der Hilfe des Emergency Rescue Committee von Lissabon in die USA, wo Metro-Goldwyn-Mayer Alfred Polgar einen Vertrag zugesichert hatte. Nach einem längeren Aufenthalt in New York kehrten die Polgars 1949 als amerikanische Staatsbürger nach Zürich zurück und lebten, von regelmässigen Reisen abgesehen, im Hotel Urban am Bellevue. 1950, fünf Jahre vor seinem Tod in seiner Wahlheimat Zürich, las der «Meister der kleinen Form» bei einer Omanut-Veranstaltung im Kongresshaus aus seinen Werken vor.
Am Beginn dieses Projekts steht die Begegnung Daniel Hellmanns mit einer Gruppe indigener Kunstschaffenden aus der ganzen Welt. Im Vorfeld einer Recherche-Reise nach Taiwan mit dieser Truppe, in der er der einzige Weisse ist, bringt Daniel Hellmann für ihn selbst überraschend seine jüdische Herkunft ins Gespräch. Woher kommt dieser Impuls? Wohin diese Frage ihn treibt und was sie in ihm und anderen bewegt, wird er nach seiner Rückkehr berichten, singen und performen. Daniel Hellmann ist Künstler und Aktivist, Sänger und Performer – bekannt und international auf Tour zurzeit mit seiner Figur Soya the Cow, welche als vegane Drag-Kuh Queerness und Tierrechte verbindet und gegen Diskriminierung und Unterdrückung kämpft. Im Gespräch mit der Dramaturgin Julie Paucker berichtet er von seiner Kunst und seinem Engagement.
Der Pianist, Komponist und Sänger Guy Mintus, dem Omanut einen Jubiläumssong verdankt (www.omanut.ch/ radio), tritt in Zürich erstmals mit der Sängerin und Schauspielerin Naama Nahum auf. In ihrem Programm voller persönlich gefärbten Erzählungen und Liedern lassen sie Einflüsse vom Jazz, von der klassischen Musik und dem Musiktheater einfliessen. Da beide Künstler multilingualen Familien entstammen, werden Werke aus verschiedenen Kulturen und Sprachen präsentiert: von Englisch über Hebräisch zu Ladino und Jiddisch. Mit ihren gemischt aschkenasischen und sephardischen Hintergründen sehen Guy Mintus und Naama Nahum ihre Kunst als transkulturelles Projekt, das verschiedene Musiklandschaften verbindet und unterschiedliche Menschen zusammenbringt.
Der israelische Schriftsteller David Grossman hat das Bilderbuch «Opa, warum hast du Falten?» auf Hebräisch geschrieben, welches Anne Birkenhauer ins Deutsche übersetzt hat. Die Illustratorin Ninamasina erzählt die Geschichte in ihrer persönlichen Sprache, mit Farben und Formen. In der «Übersetzerwerkstatt» von Anne Birkenhauer und Lea Gottheil sollen die Kinder die Geschichte auf ihre eigene Art mitteilen und auch herausfinden, wie das Buch klingt, wenn es mit Musik gespielt wird. Und die Frage, was Übersetzen überhaupt ist, steht ebenfalls im Raum. Eltern und Grosseltern sind um 16.30 Uhr herzlich willkommen, einer kleinen Aufführung beizuwohnen. Für die Erwachsenen bietet Anne Birkenhauer in der Woche davor einen Zoom-Workshop in ihrer Reihe «Langsam Lesen» zur Lektüre des Buches von David Grossman im Original an: www.annebirkenhauer.com.
«Ein jüdische Garten» - 2022 von Itamar Gov, Hila Peleg und Eran Schaerf bei Hanser herausgegeben - erforscht jüdische Erfahrung und Geschichte in Form eines Pflanzenbestimmbuchs mit rund 160 Texten aus unterschiedlichen Sprachen, Epochen und Lebenswelten. Hier gedeihen Akazien von Clarice Lispector neben einer Zwiebel aus der Hebräischen Bibel, dazwischen Kirschen von Grete Weil, Mohn von Abraham Sutzkever, eine Mango von Ronit Matalon und Mais von Gabriele Tergit gepfeffert mit einer Prise Reiseliteratur des mittelalterlich-jüdischen Schriftstellers Benjamin de Tudela. Dank den editorischen Notizen entsteht daraus ein migrierender Garten aus Wörtern jenseits sprachlicher und nationaler Grenzen – ein Bestimmungsbuch für eine unbestimmbare jüdische Identität.
Die Dokumentarfilmerin und Kamerafrau Nurith Aviv setzt sich in ihrem cineastischen Werk seit Jahren mit der Sprache als Erinnerungsspeicher auseinander. Nach dem bemerkenswerten Film «Yiddish» (2020) entsinnen sich die Protagonisten von «Des mots qui restent» (2022) ihrer jüdische Dialekte sprechenden Verwandten. Was dabei an vergessenen Lebenswelten und Familiengeschichten an die Oberfläche dringt, ist berührend und lässt den Reichtum jüdischer Sprachen von Ladino über Judeo-Farsi bis Romaniotisch aufscheinen. Nach einem Q & A von Michael Guggenheimer mit Nurith Aviv und der Vorführung von «Des mots qui restent» wird Brigitta Rotach mit der israelischen Autorin, Übersetzerin und Kulturwissenschaftlerin Zohar Elmakias, einer der Protagonistinnen des Films, ins Gespräch treten. Zum Ausklang des Anlasses, der eine Zusammenarbeit mit dem Filmclub Seret von ICZ und JLG ist und im Rahmen des Europäischen Tags der Jüdischen Kultur (ETJK) stattfindet, wird ein Aperitif serviert.
Eine neue Betrachtungsweise der jüdischen Diaspora und des Begriffs der Diaspora im Allgemeinen sind das Thema des von Daniel Boyarin auf Englisch gehaltenen Vortrags The Talmud, Yiddish, and the Formation of Jewish Memory. Dem Professor für Kultur des Talmud an der University of California at Berkeley zufolge sind Beschreibungen der jüdischen Diaspora problematisch. Demgegenüber schlägt er eine andere Konzeption der jüdischen Geschichte und Kultur vor, die zu einem umfassenderen Verständnis der jüdischen Diaspora führt und einen Beitrag zur Theorie der Diaspora leistet.
«Shaul Knaz‘ Werke feiern das Leben. Das Alltägliche, wie auch das Besondere darin. Schattenseiten wie Glücksmomente. Sein ganzes Leben hat er mit dem Pinsel auf Leinwände gestrichen, getupft, gemalt», schreibt die künstlerische Leiterin des Musée Visionnaire, Manuela Hitz, zum Werk des israelischen Künstlers Shaul Knaz (1939-2022). Sein ganzes Leben verbrachte er im Kibbuz Gan Shmuel, wo er 2004 ein riesiges Wandgemälde realisierte. Als Autodidakt nahm er sich die Freiheit heraus, in seinen Bildern ein Universum abzubilden, das seine Idee einer glücklichen Welt darstellte, die wiederum von Unschuld, Phantasie, Natur, Optimismus und Lebensfreude geprägt war.
Das Künstlerduo Veli & Amos hat einen Camion zu einem Ausstellungsraum und Klein-Kino umgebaut. Dieser als icecream project herumkurvende Wagen steht einen Tag lang im Hof der Galerie Stephan Witschi und es werden Videos der Kunstschaffenden Lea Bloch, Sarai Meyron und Veli & Amos gezeigt. Neben Künstlergesprächen gibt es ein Hummus-Buffet und Musik.
Der Schweizer Künstler und Pädagoge Johannes Itten unterrichtet die junge Friedl Dicker (1898-1944) in seiner Wiener Privatschule. Dazu kann man in dem biographischen Roman «Friedl» von Elana Makarova, der letztes Jahr auf Deutsch erschienen ist, folgende Zeilen lesen: «Es entsteht der Eindruck, als befände ich mich mit Itten allein in einem Klassenraum. Tatsächlich sind wir sechzehn. Zwei Jahre später werden wir in genau dieser Zusammensetzung – überwiegend Personen jüdischer Herkunft mit linken Ansichten – Itten nach Weimar folgen, wo wir den Ton im gesamten Bauhaus prägen werden.» Auch wenn dies kein Originalzitat aus Friedl Dickers unzähligen Briefen an Freunde und Bekannte ist, arbeitet sie in einem Kreis von Gleichgesinnten, hat eine sozialistische Gesinnung und ist mobil. Ihre Ausbildung führt sie von ihrer Geburtsstadt Wien ans 1919 gegründete Bauhaus in Weimar, bevor sie mit ihrem Partner Franz Singer in Berlin die «Werkstätten Bildender Kunst» gründet.
Der verstorbene deutsch-jüdische Journalist Ralph Giordano analysierte in seinem Buch «Israel, um Himmels willen, Israel» (1991) das fragile Gleichgewicht, in dem sich Israel seit seiner Gründung befindet: Stark und wehrbereit solle das Land sein, um den Judenhassern in aller Welt, den alten und den neuen, etwas entgegenzusetzen – und gleichzeitig im Inneren liberal und nach Gerechtigkeit strebend, mit reflektierter Machtkritik ganz im Sinne der biblischen Propheten. Heute zeigt sich: Wird die Liberalität durch religiösen Fanatismus bedrängt, wird die Machtkritik mundtot gemacht, droht dieses Gleichgewicht zu kippen und sich ein autoritärer Staat herauszubilden. Dagegen wehren sich aktuell namhafte Kunstschaffende und Militärs, Politiker und Bürgerinnen aus den unterschiedlichsten Lagern und verschiedener Altersstufen: Sie sehen «ihr» Israel bedroht, für das sie in unzähligen Kriegen gekämpft und für das sie ihre Heimatländer voller Sehnsucht verlassen haben; das Land, in das ihre Vorfahren vor oder nach der Shoa einwandern konnten; das sie aufnahm, als sie aus den arabischen Ländern vertrieben wurden.
Das Literaturhaus Zürich hat gemeinsam mit anderen Kulturinstitutionen, die sich der Mehrsprachigkeit annehmen, ein Lesefest organisiert (www.literaturhaus.ch/lesefest). Da der Anlass auf den Schabbat fällt, hat Omanut am Tag danach einen «Nachklang» organisiert und mit Rafaël Newman, Dalit Arnold, Gundula Schiffer und Ella Ronen vier Kulturschaffende eingeladen, in deren Werk Interkulturalität und Multilingualität eine zentrale Rolle einnehmen.
Wie ihr Cousin Walter Benjamin wurde Gertrud Käthe Chodziesner, die unter dem Pseudonym Gertrud Kolmar publizierte, in Berlin geboren. Aber nicht die Stadt, sondern die Natur nährte von früh an ihre dichterische Intuition. Sie fühlte sich von Pflanzen und Tieren angezogen und beseelte sie in ihren Gedichten: So laß uns fliehn Zu den sinnenden Feldern, die freundlich mit Blumen und Gras unsere wandernden Füße trösten, An den Strom, der auf seinem Rücken geduldig wuchtende Bürden, schwere, güterstrotzende Schiffe trägt, Zu den Tieren des Waldes, die nicht übelreden.
«Als ich das Geschäft verlasse, Cellokasten am Rücken, der Dreisterne-Bogen gut versorgt, ist meine Tagesenergie aufgelöst. Ich begreife: Mein Kopf liegt noch immer hoch in den Regungen der Bogenstriche, prall gefüllt von cellistischem Klang. Ich muss ihn zurückholen, hinein in den Tag». Der Protagonist von Irène Speisers Buch «Stimmung für Violoncello solo», Gilles Bastien, erlebt einen innigen musikalischen Moment beim Kauf eines Cello-Bogens in einem Laden in der Nähe der Pariser Gare St. Lazare. Auch Raphael Selig, der seit einigen Jahren das Familienunternehmen «Antiquités Ségal & Selig» leitet, hat in Basel ein schönes Geschäft für erlesene Objekte an der St. Alban-Vorstadt 17 eingerichtet.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Religionswissenschaftler und Philosoph Jacob Taubes, der bei vielen intellektuellen Debatten des 20. Jahrhunderts wie ein Katalysator wirkte und selber wenig publiziert hat, gerade heute wiederentdeckt wird. Er hat so viele Widersprüche in sich vereint, hat mit geistigen und sinnlichen Verführungen so kühn und verwegen gespielt, dass seine schillernde Persönlichkeit ebenso fasziniert wie irritiert. In diesem Sinne passt er gut in unsere Zeit, in der sich Gewissheiten auflösen, politische Systeme ins Wanken geraten und moralische Orientierungen in Zweifel stehen. Die eben erschienene, sehr umfassende Biografie des amerikanischen Historikers Jerry Z. Muller gibt erstmals minutiös Einblick in Taubes Leben und Denken. Taubes enge Verbindung mit Zürich legt es nahe, ihm ein Omanut-Doppel zu widmen.
Die Berufung von Rabbiner Zwi Taubes 1936 von Wien an die Israelitische Cultusgemeinde Zürich (ICZ) bedeutete im Hinblick auf die sich anbahnenden historischen Ereignisse eine Rettung für ihn, seine Frau Fanny und die gemeinsamen Kinder Jacob und Mirjam. Ende 1938 gelang es Zwi Taubes mit Unterstützung des St. Galler Polizeihauptmanns Paul Grüninger, einer seiner Schwestern mit deren Familie die Flucht in die Schweiz zu ermöglichen. Es gibt nach wie vor Menschen in Zürich, die sich der Amtszeit von Zwi Taubes entsinnen, am lebhaftesten wohl seine Verwandten: Einerseits sind das seine Enkelinnen Madeleine Dreyfus und Liliane Isaak-Dreyfus, die Töchter von Mirjam Dreyfus-Taubes, andererseits seine Grossnichte Susanne Scheiner, die Enkelin seiner Schwester Wetti Peniaker-Taubes. Sie alle erinnern sich an Begegnungen mit Zwi und Jacob Taubes und weiteren Angehörigen. Sie werden im Gespräch mit Karen Roth mithilfe von Fotografien und Dokumenten die Geschichte ihrer aus Osteuropa stammenden Familie rekonstruieren und reflektieren.
Doppel-Führung durch die Ausstellung «Zwischenzeilen» in den Räumlichkeiten der BINZ39 mit Dalit Arnold und Susanna Koeberle und anschliessend durch die Völkerkundemuseum-Schau «VielFalt – Textiles Wissen von Miao-Frauen in Südwest-China» mit der Kuratorin Martina Wernsdörfer. Danach kleiner Imbiss und Konzert mit dem Kaleidoscope String Quartet und Michael Zisman am Bandoneon.
Marcel Herbst im Gespräch mit Marc Bundi und Karen Roth über seinen Werdegang, seine Photographie und sein essayistisches Schreiben. Musikalische Umrahmung: Edouard Mätzener (Violine) und Heinrich Mätzener (Klarinette)
In den unterschiedlichen Werken von Dalit Arnold und Marcel Herbst gibt es auch viel Verbindendes: Sie widmen sich dem Peripheren, dem Übersehenen und sehen sich als Suchende zwischen verschiedenen Kulturen. Für die Ausstellung in den Räumlichkeiten der Stiftung BINZ39 stehen einerseits Marcel Herbsts grossformatige Fotografien von jüdischen Friedhöfen im Zentrum, die er in Osteuropa aufgenommen hat und die für ihn neben einer verwunschenen Schönheit auch die Trauer über die Auslöschung einst blühender Gesellschaften ausdrückt. In seinem Essay «My Polyn» spricht er denn auch vom «Verlust von Heymischkeit», die für ihn «Wärme, Witz, Sprache, Bräuche und Seykel» bedeutet. Im Dialog mit Herbsts Bildern stellen andererseits Dalit Arnolds Fadenbilder eine spielerischere Auseinandersetzung mit verschiedenen Materialien und historischen Praktiken dar. In ihrer Text-Collage «Entbindung» findet man dazu aufschlussreiche Passagen: «Fäden, Schnüre und Garne... Ich habe sie von meiner Grossmutter, die Schneiderin war, geerbt. Sie begleiten mich in vielen meiner Arbeiten. Der Faden kann einerseits Sachen zusammenhalten oder auch eine neue Geschichte erzählen, indem er sich durch ein Material schlängelt.» Diese Zeilen kann man auch als Programm der Ausstellung «Zwischenzeilen» sehen: Zwei Positionen, zwei Generationen, zwei Kunstrichtungen verbinden sich zu etwas Neuem, Unerwartetem und eröffnen neue Suchfelder.
Wir laden Sie herzlich zur Verleihung des Omanut-Zwillenberg-Förderpreises 2022 an Elie Aufseesser ein. Der 1990 in Lausanne geborene Filmemacher hat an der Universität Lausanne Philosophie und Filmtheorie sowie an der Columbia University Regie und Drehbuch studiert. Sein erstaunliches Dokumentarfilm-Debut über zwei ungleiche Brüder, «Pas de deux» (2022), teilt mit dem für den Omanut-Zwillenberg-Preis eingereichten Dossier «The Cantor’s Sons» eine grosse Einfühlsamkeit und Musikalität sowie eine Faszination für Kontraste: «the conflict between community and society, ritual and newness, convention and freedom, expectations and reality, father and son».
Drei Bücher stehen im Mittelpunkt dieser gemütlichen Vor-Weihnukka-Veranstaltung. Das Künstlerbuch von Tom Fellner, der Erzählband von Alexander Estis und das Kinderbuch von Micha Lewinsky könnten verschiedener nicht sein, doch haben sie eines gemeinsam: Sie sind alle illustriert. Tom Fellners sehr persönliche Texte werden in seinen Zeichnungen gespiegelt. Die beiden Ebenen bilden ein komplexes und bewegendes Bezugssystem.
Das Jüdische bei Heinrich Heine (1797 in Düsseldorf - 1856 in Paris) und Marcel Proust (1871 in Paris – 1922 ebenda) auszumachen, ist nicht einfach, da Ambivalenz das Werk und die jüdische Identität der zwei Autoren kennzeichnet. Gleichwohl lösten bei beiden antisemitische Ausschreitungen augenfällige politische Reaktionen aus: Bei Heine waren es die pogromartigen Hep-Hep-Krawalle, die ihn zum Gedicht an «Edom», also an seine christliche Umgebung, veranlassten:
Das Jüdische bei Heinrich Heine (1797 in Düsseldorf - 1856 in Paris) und Marcel Proust (1871 in Paris – 1922 ebenda) auszumachen, ist nicht einfach, da Ambivalenz das Werk und die jüdische Identität der zwei Autoren kennzeichnet. Gleichwohl lösten bei beiden antisemitische Ausschreitungen augenfällige politische Reaktionen aus: Bei Heine waren es die pogromartigen Hep-Hep-Krawalle, die ihn zum Gedicht an «Edom», also an seine christliche Umgebung, veranlassten:
«Väter unser …» ist ein vielstimmiges Buch zum Thema Patrilinearität im Judentum. Die betroffenen Menschen umkreisen ihre Identität und fragen sich: «Bin ich doppelt oder doch eher gespalten?» Die Antworten fallen differenziert aus. So konkludiert etwa Wilma: «Warum nicht diese «doppelte» Herkunft und damit das «Anderssein» als seine eigene Identität ansehen und vor allem, dies nicht als Makel empfinden, sondern als Vorteil?» Zwischen dem Judentum und einer anderen Religion zu stehen, kann also Unterschiedliches bedeuten: Gefühle der Ausgrenzung, des Nicht-Dazu-Gehörens und der Unsicherheit gehören genauso dazu wie die Empfindung von Beschenkt-Sein und von Selbstermächtigung.
Der israelische Künstler, Filmemacher und Autor Roee Rosen, 1963 in Rechovot geboren, ist bekannt für sein vielschichtiges, oft auch provozierendes Werk, das die Grenzen zwischen Geschichte und Gegenwart, Dokumentation und Fiktion, zwischen Politik und Erotik verwischt. Das Kunstmuseum Luzern zeigt nun die erste Soloschau des renommierten Künstlers in der Schweiz.
In ihrer eindrücklichen Essaysammlung «Weil es sagbar ist» geht Carolin Emcke auf die Irrationalität der Konzentrationslager ein: «Der desorientierte Häftling im Lager sucht nach Regeln, wo Willkür herrscht, nach irgendeiner Vernunft, wo Wahnsinn regiert. Etwas wehrt sich, als ob Brutalität und Grausamkeit nicht allein unmoralisch, sondern unlogisch seien». In einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Autorenkolleginnen Lena Gorelik und Maryam Zaree setzt sie sich mit Texten von Primo Levi, Jean Améry, Ruth Klüger, Charlotte Delbo, Imre Kertész und Jorge Semprun auseinander und macht sich Gedanken zur Erinnerungspolitik. Denn das offizielle «Gedächtnistheater» (Michael Bodenmann), das mahnende «Nie wieder» erstarrt mehr und mehr zu einem Ritual – ohne die Stimmen der Zeitzeugen, welche die Bedeutung und die verheerenden Auswirkungen der Shoa zu vermitteln versuchten.
«Sicher, meine Schöne, sicher», sind die letzten Worte, welche die aufstrebende Sängerin Gabriela Oded Chefer ins Ohr flötet. Sie ist eine Transfrau, «die Schöne» ein queerer Privatermittler, der nach ihrer Ermordung alles daransetzt, den Schuldigen zu finden. Yonatan Sagivs erster Krimi «Der letzte Schrei» (Kein & Aber 2022) führt in den Süden Tel Avivs, dessen Fassade unpolierter als der Rest dieser glänzenden Stadt ist. Hier herrscht das Recht des Stärkeren, aber auch eine Solidarität zwischen Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben: Prostituierte, Kleinkriminelle, Illegale. Der israelische Autor, der auch Filmtheorie und moderne israelische Literatur unterrichtet, sieht im Krimigenre ein grosses Potenzial. Nicht nur, weil es mit vielen Leuten kommuniziert, sondern auch sozialpolitische Themen anspricht. Eines seiner Vorbilder ist die Schriftstellerkollegin Shulamit Lapid, die in «Lokalausgabe» (Dörlemann 2022) bereits 1989 eine ikonische Ermittlerin erschaffen hat: Lisi Baldichi. Die als «Lisi die Bekloppte» bekannte Journalistin lernt wie ihr Kollege Oded Chefer aus Fehlern. Der Mörder hätte sich besser überlegen müssen, mit wem er sich ins Bett legt.
Das Fleckfieber war auch wegen seiner Ausbreitung in Kriegszeiten eine besorgniserregende Krankheit. Ludwik Fleck, ein Arzt und Philosoph aus Lemberg, hat wesentlich zu diesem Phänomen geforscht. Sein Weg als Wissenschaftler und Jude liest sich in der Darstellung von Andreas Pospischil wie ein Krimi; aber auch wie eine andere Geschichte Lembergs. In der Stadt – einst eine blühende k. u. k. Metropole, danach polnisch und nach der Besetzung durch die Nazis schliesslich Teil der Sowjetunion – leistete Fleck wichtige Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Medizin. So beschrieb er 1930 den ersten zuverlässigen Hauttest zum Fleckfiebernachweis. Seine Deportation ins KZ Buchenwald und seine schwierige Zeit im Nachkriegseuropa und in Israel gehören aber genauso zu diesem reichen Forscherleben wie seine bedeutenden Schriften zur Wissenschaftssoziologie. Der Autor Andreas Pospischil hat diesem beinahe vergessenen Immunologen mit dem Buch «Ludwik Fleck und das nicht nach ihm benannte Fleckfieber» (Chronos 2020) ein aufregendes Denkmal gesetzt.
Die Vielstimmigkeit der modernen hebräischen Literatur beruht zum einen darauf, dass seine alten Sprachschichten, sei es Tenach, Mischna, Talmud bis heute präsent sind; darüber hinaus brachten die Einwanderer, die aus verschiedenen Ländern nach Palästina/Israel kamen, eigene Einflüsse mit. Diese Vielstimmigkeit auch in der deutschen Übersetzung hörbar zu machen, gehört für Anne Birkenhauer zu den spannendsten Herausforderungen. Sie wird anhand einiger Textstellen einen Einblick in ihre Übersetzerarbeit geben und erzählen, wie sie in den letzten Jahren bei Tomer Gardi und Moshe Sakal einen ganz neuen Aspekt des hebräischen Stils entdeckte.
Tomer Gardi verbrachte bereits als Kind mit seinen Eltern eine längere Zeit in Wien, doch aufgewachsen ist er in einem Kibbuz in Israel. Der heute in Berlin lebende Autor hat schon früh sein fehlerhaftes Deutsch selbstbewusst zur Kunstsprache entwickelt. Nach «Broken German» hat er es erneut meisterlich in seinem Roman «Eine runde Sache» verwendet, der letztes Jahr bei Omanut vorgestellt wurde. Im Gespräch, das der Radiojournalist Felix Schneider mit Tomer Gardi und dem Regisseur Noam Brusilovsky zu «Broken German» führen wird, geht es nicht nur um die Sprache, sondern auch um das Übertragen eines Romans in ein Hörspiel. Auf Gardis Roman «Broken German» (Droschl 2016) basiert nämlich das von Noam Brusilovsky kongenial inszenierte SWR2-Hörspiel gleichen Namens aus dem Jahr 2017, das vor der Diskussion um 19 Uhr im Theatersaal zu hören ist. Dazwischen gibt es eine Pause.
Was passiert, wenn zwei Ensemblemitglieder des Theaters Neumarkt – ein israelisch-philippinisch-schweizerischer Schauspieler und eine türkisch-deutsche Schauspielerin – zusammen mit einem geflüchteten eritreischen Performer und einer israelischen Regisseurin mit persischem Hintergrund ein Stück entwickeln?
1989 zieht Oriana Schrage mit ihrer Familie nach Recife, wohin es Clarice Lispector (1920-1977) als Kind ebenfalls verschlug. Für Orianas Eltern eine Rückkehr nach Brasilien, für die kleine Clarice ein Neuanfang. Wie wird es für sie gewesen sein, vom ukrainischen Schtetl in ein riesiges tropisches Land wie Brasilien zu ziehen?
Der israelische Graphikdesigner Noam Benatar untersucht die visuellen Bezüge zwischen der jiddischen, deutschen und hebräischen Sprache. Sein Fokus liegt auf Sichtbarmachung dieser kulturhistorischen Verbundenheit mit experimentellen typographischen Mitteln. Nach seiner Präsentation wird Philipp Messner, der sich als Kulturwissenschaftler mit jiddischer Typographie beschäftigt, auf das Projekt «Yiddish Dislplayed» reagieren. Schliesslich unterhalten sich die beiden Schrift-Experten auf Englisch über die Revolution der hebräischen Schriftformen im Kontext des Jiddischen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und über die Gegenwart dieses Erbes im heutigen Israel.
In David Grossmans Roman «Was Nina wusste» (Hanser Verlag, 2020) stehen drei Generationen Frauen im Zentrum. Die Familiengeschichte, die in Israel und Kroatien spielt, ist eine Zeitreise ins 20. Jahrhundert: Es geht um Liebe, Krieg, Shoa, Kommunismus, Gulag, Hoffnung und Verrat. Der Autor löst mit dem Buch ein Versprechen ein, das er der ehemaligen jugoslawischen Partisanin Eva Panic-Nahergegeben hat. Er solle ihre Geschichte aufschreiben, hat sie ihn noch zu Lebzeitengebeten. Grossmans feinfühliger Text, der vor dem inneren Auge ein temporeiches und schonungsloses Roadmovie evoziert, klingt in der kongenialen Übersetzung von Anne Birkenhauer so: «Wir sind in Čakovec», erklärt Vera der Kamera im Reiseleiterton, «nicht weit von ungarische Grenze, nicht weit auch von österreichische Grenze. Für Theater und Oper ist man gefahren nach Budapest oder nach Wien. Das ist gewesen unsere Kultur. Und Ungarisch ist gewesen unsere erste Sprache. Deshalb ich bin keine Balkanjüdin und auch keine Ghettojüdin. Ich bin Jüdin aus Zentraleuropa. Aus richtige Europa! So ein Europa wie mich gibt es gar nicht mehr».
Das Debut des Schweizer Filmemachers Elie Aufseesser behandelt einen entscheidenden Abschnitt im Leben zweier ungleicher Brüder. Die Eltern sind chinesischer sowie jüdisch-amerikanischer Herkunft. Der feingliedrige Jon ist leidenschaftlicher Turmspringer. Der Umzug nach New York ins Team der renommierten Columbia University steht an. Sein extrovertierter Bruder Peter formuliert gerne seine Gedanken über die Erweiterung des Bewusstseins. Er reist an grosse Festivals und später in die jordanische Wüste, wo er vermehrt von Selbstzweifeln geplagt wird. Als es dem chinesischen Grossvater mütterlicherseits gesundheitlich immer schlechter geht, entsteht zwischen ihm und Peter eine unerwartet nahe Verbindung.
Bereits in ihrer Arbeit «Der Kaufmann Caraco» (2017) hat sich Françoise Caraco mit dem türkisch-jüdischen Zweig ihrer Familie auseinandergesetzt. Die damalige Spurensuche führte sie zum Altkleiderhändler Caraco am Rennweg in Zürich, einer Nebenfigur des Schweizer Filmklassikers «Hinter den sieben Gleisen». Für ihre jüngste Recherche hat sie diese Suche bis nach Istanbul ausgeweitet und hat dort mit Menschen gesprochen, die den Namen Caraco – oder Karako – kennen. Dazwischen lässt sie weitere Stimmen jüdischer Türken und Türkinnen zu Wort kommen und fängt gleichzeitig Istanbul mit der Linse ihrer Kamera ein. Mit «Hidden Istanbul» ist ein bezauberndes Künstlerbuch entstanden, in das man eintaucht und meint, die Wellen an die Gestade des Bosporus schlagen zu hören – und auch ein Flüstern aus längst vergangenen Zeiten.
“Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde”, heisst es in Exodus 20:4. Unter den Themen der Judaistik dürfte die Frage nach dem Bilderverbot eine der spannendsten sein. Selbst die rabbinischen Auseinan-dersetzungen mit dieser Frage führten im Laufe der Jahrhunderte zu unter-schiedlichen Interpretationen und – je nach Assimilationsgrad der jüdischen Gemeinschaft – zu verschiedenen Massnahmen. Auch der Bilderreichtum der jüdischen Kunstgeschichte zwingt zu einer differenzierten Sicht auf das Bilderverbot.
Wenn sich Dmitrij Kapitelman zu Flucht und Emigration äussert, spricht er aus Erfahrung. Als Achtjähriger kam der Autor mit seiner Familie aus der Ukraine nach Deutschland und ahnte schon damals, «dass ein Aufbruch noch keine Ankunft ist. Und dass sich unsere Familie unterwegs für immer verändern würde». In seinem neusten Buch Eine Formalie in Kiew (Hanser 2021) beschreibt Dmitrij Kapitelman das Gefühl der Entfremdung, das sich zwischen ihm und seinen Eltern nach der Emigration allmählich ausbreitet. Das schildert er auf zutiefst berührende wie humorvolle Weise – eine Mischung, die bereits sein Vorgängerroman Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters (Hanser 2016) auszeichnete. Handelte dieser mehrheitlich in Israel, nimmt uns der Autor in Eine Formalie in Kiew in die Ukraine mit. Und obwohl der Text vor dem russischen Überfall auf das Land geschrieben wurde, wird einem bewusst, dass der Konflikt schon lange seinen Tribut fordert: Milizionäre bevölkern im Roman die Strassen Kiews und versuchen, junge Ukrainer für den Krieg im Donbass zu verpflichten. Inzwischen haben diese keine Wahl mehr und können ihre Frauen und Kinder nicht auf der Flucht aus dem kriegsversehrten Land begleiten. Zu dieser Situation wird sich Dmitrij Kapitelman ausführlich mit dem russischen Autor Alexander Estis unterhalten – und natürlich aus seinem Buch lesen.
Ein Looper arbeitet mit dem Prinzip der Wiederholung. Der israelische Komponist, Arrangeur und Multiinstrumentalist Jonathan Keren beschäftige sich seit 2019 mit diesem Gerät. Damals war er mit seiner Barockvioline für ein Solokonzert eingeladen und wollte zusätzlich den Looper einsetzen. Das Konzert wurde aufgrund von Corona abgesagt, doch der Looper begleitet ihn seither als innovatives Instrument und erlaubt ihm eine ganz besondere Form des künstlerischen Ausdrucks. Während des Lockdowns, als das Zusammenspiel mit anderen Musikern unmöglich war, komponierte er damit kontrapunktische Musik mit nur ein, zwei Instrumenten und interpretierte sein Standard Violine-Repertoire neu.
In ihrem ersten Roman «Otto» hat Dana von Suffrin ihrem Vater und allen Vätern ein Denkmal gesetzt: launisch und liebenswert wie er ist, bleibt er doch ein Tyrann. Als er zum Pflegefall wird, versuchen ihm seine beiden Töchter das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Doch der aus Siebenbürgen stammende Vater wird in Deutschland nicht wirklich heimisch und misstraut dem ehemaligen Tätervolk. Das erfolgreiche Debut erzählt diese Geschichte mit einer Leichtigkeit, die die Kritiker begeisterte und es zeichnet wohl Dana Suffrins Schreiben aus, dass sich Ernsthaftigkeit und Humor bei ihr nicht ausschliessen und sie sowohl in die Rolle der seriösen Wissenschaftlerin, als auch der klugen Unterhalterin schlüpfen kann. Über einen anderen Otto hat die Autorin eine Dissertation verfasst: Otto Warburg (1859-1938), deutscher Kolonialbotaniker und Zionist. Der Mitherausgeber der Zeitschrift Altneuland – die Monatsschrift für die wirtschaftliche Erschließung Palästinas, sah das „Urproblem“ der Juden in der Heimatlosigkeit und Entwurzelung. Ob Warburg sich selber als entwurzelt begriff, darf aufgrund seines Verbleibs in Deutschland auch nach Hitlers Machtergreifung bezweifelt werden – doch lohnt es sich auch in diesem Kontext, über jüdische Identität nachzudenken. Bei einer Omanut-Matinee stellt Dana von Suffrin ihr Werk vor und liest auch Stellen aus ihrem neusten Roman «Nochmal von vorne», der noch im Entstehen ist und nächstes Jahr erscheinen soll. Und in einem Gespräch mit Karen Roth verrät sie, was sie und ihre Generation in Deutschland zurzeit umtreibt. Begleitet wird der Anlass vom Musiker Omri Ziegele, einem Improvisationskünstler, der Altsaxophon, die usbekische Nai, und auch gerne mit Worten und seiner Stimme spielt.
Nicole Eisenman erzählt in ihren Bildern Geschichten eines Alltags, der genauso von Ängsten wie von Freuden, von Brutalität wie von Zärtlichkeit geprägt ist. Die Figuren in Eisenmans zeichnerischem, malerischem und skulpturalem Werk sind oft Cartoon- artig und mit verzerrten Gliedmassen dargestellt und verzweifelt bemüht, das Beste aus ihrer tragikomischen Situation zu machen.
Raygrodski ist nicht nur der Name einer exquisiten Bar, sondern auch einer unvergesslichen Frau: Der russischen Ärztin und Sexualreformerin Paulette Brupbacher-Raygrodksi (1880 Pinsk – 1967 Unterendingen) hat die Autorin Ruth Schweikert im Sammelband «Projekt Schweiz», das Ende 2021 im Limmatverlag erschienen ist, ein Porträt gewidmet. Und Yves Niedermayr hat seine Raygrodski-Bar ganz bewusst nach der fortschrittlich denkenden Frau benannt, die auch für ein offenes Zürich steht, wohin sie 1924 gezogen war, um den Anarchisten und Arzt Fritz Brupbacher zu ehelichen und mit ihm in Aussersihl zu praktizieren. Ruth Schweikert wird auszugsweise aus ihrem «Brief an eine Ärztin, Träumerin und Aktivistin für Frauen und deren Rechte» lesen und im Gespräch mit Karen Roth von ihren Recherchen berichten – und von Paulette Brupbacher-Raygrodski’s spätem, langjährigem Kibbuzaufenthalt und ihren verschiedenen Publikationen. Danach serviert die israelische Meisterköchin Jaffa Niedermayr Köstlichkeiten aus ihrer orientalischen Küche.
Immer wieder wird in der öffentlichen Debatte versucht, mit Rückgriff auf den Topos das christlich-jüdischen Abendlands den Islam und seine Vertreter auszuschliessen, obwohl es in diesen Reihen viele Menschen und Gruppen gibt, die sich für einen offenen und pluralistischen Islam einsetzen. Dass solche Ausgrenzungsmechanismen weniger zum Auseinanderdividieren als zum Schulterschluss verschiedener Minderheiten führen soll, dafür setzt sich die Religionswissenschaftlerin Hannan Salamat ein. Als Bildungsreferentin weist sie zudem die Schweizer Öffentlichkeit immer wieder auf blinde Flecken in ihrer Geschichtsaufarbeitung hin.
In ihrer Dissertation, die Ende letzten Jahres unter dem Titel «Jüdische Kunsthändler und Galeristen» im Böhlau Verlag erschienen ist, befasst sich die Autorin Elisabeth Eggimann ausführlich mit dem Omanut-Gründer Toni Aktuaryus. Er gehörte neben den Gebrüdern Moos und Bollag zu den ersten Kunsthändlern und Galeristen jüdischer Herkunft in der Schweiz. Diese traten für die Impressionisten und die moderne französische Kunst ein, förderten zeitgenössische Schweizer Maler und veranstalteten Auktionen. Ihre Inspirationsquelle bildete die Pariser Kunstwelt.
Die 1872 in Hamburg geborene jüdische Religionsphilosophin, Lyrikerin und Essayistin Margarete Susman lebte über lange Zeit in Zürich: Als Kind und Jugendliche zwischen ihrem zehnten und zwanzigsten Lebensjahr und dann wieder seit ihrer Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland 1933 bis zu ihrem Tod 1966. Anders als Susmans Freunde – Anarchist Gustav Landauer, der Philosoph Ernst Bloch und der Dichter Paul Celan – ist sie heute beinahe vergessen. Dies ist umso bedauerlicher, als ihr vielseitiges Werk aktuellen Debatten als Inspirationsquelle dienen kann. Ausserdem ist Margarete Susman eng mit der Geschichte von Omanut verbunden: Der Omanut-Präsident Hermann Levin Goldschmidt lud die Autorin, mit der er eng befreundet war, mehrmals zur Mitarbeit bei Omanut ein und der Verein richtete ihr kurz nach ihrem Tod im Januar 1966 eine Gedenkveranstaltung aus.
Wir laden Sie herzlich zur Verleihung des Omanut-Zwillenberg-Förderpreises 2022 an Elie Aufseesser ein. Der 1990 in Lausanne geborene Filmemacher hat an der Universität Lausanne Philosophie und Filmtheorie sowie an der Columbia University Regie und Drehbuch studiert. Sein erstaunliches Dokumentarfilm-Debut über zwei ungleiche Brüder, «Pas de deux» (2022), teilt mit dem für den Omanut-Zwillenberg-Preis eingereichten Dossier «The Cantor’s Sons» eine grosse Einfühlsamkeit und Musikalität sowie eine Faszination für Kontraste: «the conflict between community and society, ritual and newness, convention and freedom, expectations and reality, father and son». Diese Spannungsfelder will Elie Aufseesser für sein neues Filmprojekt fruchtbar machen, um eine sehr persönliche Geschichte zur jüdischen Tradition und Genealogie zu erzählen. Auch soziologische und filmhistorische Aspekte fliessen mit ein. Mehr dazu kann man an der Preisverleihung erfahren, die gleichzeitig eine Stabsübergabe von Lea Kalisch, der letzten Omanut-Zwillenberg-Preisträgerin, an Elie Aufseesser sein wird.
Eine «Ode an die Farbe» nennt Roman Hollenstein die Werke von Otty Wyler (1887-1965) in seiner NZZ-Rezension der aktuellen Ausstellung «Die schönsten Bilder. Otto Wyler begegnen» im Franz Gertsch Museum in Burgdorf. Es ist wohl vor allem Yehuda Sprecher, dem in Israel lebenden Enkel von Otto Wyler, zu verdanken, dass dem Oeuvre seines Grossvaters auch in der Schweiz wieder mehr Beachtung geschenkt wird. Bereits 2013 hat er im Kunstmuseum von Ein Harod eine Übersichtsschau der Bilder von Otto Wyler organisiert und seit mehreren Jahren gemeinsam mit Omanut-Mitglied Wolfgang Straub an einem digitalen Werkkatalog gearbeitet: www.otto-wyler.ch. Auffallend sind die verschiedenen Einflüsse, die der Maler in seiner Kunst verarbeitete. Die Wandelbarkeit als Charakteristikum betont auch Roman Hollenstein: «Verrät der frühe, in loderndem Rot gehaltene Jom Kippur in der St. Galler Synagoge Wylers Beschäftigung mit dem Expressionismus, so scheint der Tango-Tee in Paris 1913 bereits Varlin anzukündigen. Der in hundert Schattierungen von Weiss erstrahlende Monte Forno lässt hingegen fast schon Robert Rymans monochrome Sinfonien erahnen.»
Als Omanut im Gründungsjahr 1941 eine Omanut-Woche plante, musste der Verein auf seinen Kunstreferenten Leopold Lindtberg verzichten. Im Protokoll vom 25. September 1941 ist vermerkt, er sei «bis am 15. November unabkömmlich, da er mit dem Drehen eines Films beschäftigt ist». Beim Film handelt es sich um den «Landammann Stauffacher», der wie «Marie-Louise» und «Die Letzte Chance» klar macht, gegen welchen Feind man zusammenstehen muss: Es braucht nicht viel Fantasie, um in den zu Stauffachers Zeiten bedrohlichen Habsburgern die mörderischen Nationalsozialisten zu sehen.
Ein junges Jazz-Talent aus Israel: Guy Mintus ist erst Mitte zwanzig und spielte bereits mit Musikgrössen wie Trilok Gurtu, Jon Hendricks und Arturo O’Farrill, gewann den «ASCAP's Young Jazz Composer Award» und wurde zudem mit dem Publikumspreis in der Wettbewerbskategorie «Solo-Klavier» des Montreux Jazz Festivals ausgezeichnet. Das Debüt-Album seines Trios «A Home in Between» wurde vom DownBeat Magazin als Hör-Tipp empfohlen.
Lea Kalisch, geboren 1994 in Zürich, lebt als polyglotte Sängerin und Schauspielerin in Minneapolis und New York, wo sie an der AMDA sowie The New School ihre Musical Ausbildung absolvierte und ihren Bachelor erwarb. Sie hat Jiddisch studiert und sich eine grosse Bandbreite des jiddischen Liedgutes angeeignet und führt es mit Rap bis in die Gegenwart. Inzwischen hat sie sich als Solo-Künstlerin mit «jüdischem Herz und Latino-Hüftschwung» einen Namen gemacht und auch die Omanut-Jury überzeugt.
Der sachliche und in der Wissenschaft etablierte Begriff der Provenienzforschung wird immer wieder zum Reizthema, hauptsächlich wenn es um den Kunstraub während der Kolonialzeit oder des Nationalsozialismus geht. Die Historikerin Stefanie Mahrer, die an der Universität Bern lehrt, kontextualisiert den gesellschaftlichen und politischen Diskurs über das Kulturgut, das in den 30er und 40er Jahren oft aus jüdischem Besitz in die Schweiz gelangte, und tritt nach ihren Ausführungen ins Gespräch mit dem Provenienzforscher Joachim Sieber, Vorstandspräsident des Schweizerischen Arbeitskreises Provenienzforschung und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kunsthaus Zürich.
Auch das Schweigen klingt. Bei Boris Nikitin und seinem neuen Text «Das Haus ist leer» klingt es vielschichtig, abgründig, provozierend und ist die Ursache für die Suche nach einem verlorenen Stück jüdischer Familiengeschichte, von dem der Autor erst spät erfährt. Aus dieser auch inneren Reise ist ein theatralischer Essay entstanden, der gleichsam intim und grundsätzlich, verstörend und erhellend ist. Allein auf der Bühne, setzt sich Boris Nikitin dem Schweigen aus und entreisst ihm faszinierende Einsichten über sich und die Welt, dabei ganz auf die Wörter und die Lücken dazwischen setzend.
Omanut ist das hebräische Wort für «Kunst». Nach einem Interview für das Omanut-Radio begann sich die in Israel geborene Pianistin Yaara Tal über das Wort und seine etymologischen Wurzeln Gedanken zu machen. Bei dieser spielerischen Recherche hat sie manche Entdeckungen gemacht von denen sie berichten wird. Ganz wichtig ist ihr auch der grenzüberschreitende Blick. Aus diesem Grund bat sie den mit ihr seit langem befreundeten Schweizer Philosophen Iso Camartin in seinem Wissensschatz zu graben und zu erzählen wie sich das Themenfeld «Kunst» in anderen Sprach- und Kulturgemeinschaften darstellt. «Im Garten der Freundschaft» – ein Titel der auf eine Veröffentlichung von Iso Camartin (C.H. Beck Verlag, München 2011) zurückgeht – soll sich demnach ein vielschichtiges Gespräch über Kunst und Kultur entfalten so wie es Omanut seit 80 Jahren mit verschiedensten Künstlern und Künstlerinnen führt.
Der Kulturverein Omanut wurde im Kriegsjahr 1941 von Emigranten aus der Musik-, Theater- und Kunstwelt gegründet, welche der in Bedrängnis geratenen jüdischen Kultur ein Forum verschaffen wollten. Die Gründungsmitglieder sind heute kaum noch bekannt, doch bereicherten sie das damalige Zürcher Kulturleben: Der Bariton Marko Rothmüller und der Tänzer Heinz Rosen waren beide am Statttheater, dem heutigen Opernhaus, engagiert und Kurt Hirschfeld und Leopold Lindtberg eminente Figuren des für Furore sorgenden Schauspielhauses. Auch Alexander Schaichet und Toni Aktuaryus waren als Orchesterleiter bzw. Galerist unermüdlich als Kulturvermittler tätig. Beruhte Omanuts Programm in seinen Anfängen auf einer innerjüdischen, auch zur Unterstützung Notleidender entwickelten Initiative, bildete es zunehmend die Grundlage für einen offenen Dialog und ist inzwischen tief im Kulturleben der Stadt Zürich verankert.
Vom 30. Juni bis zum 8. August findet im Museum Strauhof eine Ausstellung unter dem Titel «OMANUT trifft JOHN ELSAS. 80 Jahre zwischen Kulturvermittlung und Selbstbehauptung» statt.
Wir laden Sie herzlich zur Verleihung des Omanut-Zwillenberg-Förderpreises 2018 an Vera Markus ein. Die 1969 in Melbourne geborene Fotografin hat Klavier in New York und Berlin studiert. Nach Fotokursen am International Center of Photography (ICP) arbeitete Vera Markus als Fotografin in Tel Aviv, wurde später Bildredakteurin bei der NZZ und ist seit 1999 freiberuflich tätig.
Der tapfere und aufgeweckte Muhi lebt nach einer komplizierten Operation zusammen mit seinem Grossvater in einem israelischen Spital. Eine Rückkehr nach Gaza, wo seine Familie lebt, ist nicht möglich, weshalb der Junge seine Eltern und Geschwister kaum kennt. Nach zwei Jahren spricht er besser Hebräisch als Arabisch und singt die Lieder der jüdischen Feiertage. Als sein Aufenthalt im Krankenhaus nach sieben Jahren zu Ende geht, steht der mittlerweile schulreife Muhi vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens. Ein zärtlicher Film, der Brücken schlägt und die schwierigen Fragen nach Identität, Religion und dem Konflikt, der Muhis Familie trennt, in ein menschliches Licht taucht. Der Erstling der beiden Regisseure Rina Castelnuovo-Hollander und Tamir Elterman gewann beim DocAviv 2017 den Preis für das beste Debüt und eine Goldene Taube beim DOK Leipzig 2017.
Ein Gespräch am Donnerstag, 2. Juli 2015 um 19.30 Uhr mit Arlette Bollag über die Geschichte der Nomadenschätze am Neumarkt 13, über ihre Reisen in ferne Länder, über Kelims, Tülüs, Weberinnen und ihre Traditionen geführt von Karen Roth. Eintritt frei. Im Anschluss an das Gespräch gibt es orientalische Häppchen und ein Glas Wein.
Naomi Leshem hat in ihrem Beitrag für die Ausstellung «Gastspiel – Schweizer Gegenwartskunst im Museum Rietberg», die der Spezialist für ostasiatische Kunst Damian Christinger eingerichtet hat, eine photographische Auseinandersetzung mit einer chinesischen Guanyin-Statue gesucht. Die Besucher sind eingeladen, ihre Reaktionen und Gedanken auf ein Stück Papier zu bringen und dieses – wie bei der Klagemauer – in die Ritzen einer Totem-Figur zu stecken.
Mit der 1955 erschienen Romanchronik «Alles in Allem» beleuchtete Kurt Guggenheim den Zeitraum 1890 bis 1945. Anfang der 70iger Jahre setzte er mit dem Roman «Gerufen und nicht gerufen» die Geschichte Zürichs anhand einer Vielfalt von Figuren und ihrer Schicksale bis 1970 fort. Der Kalte Krieg bestimmt das Klima, die Hochkonjunktur löst nicht nur einen Bauboom, sondern gesellschaftliche Veränderungen aus, mit denen viele nicht zurechtkommen. Auch der im Mittelpunkt stehende Schriftsteller Karl Dinhard beobachtet die Entwicklungen seiner Stadt mit kritischer Distanz. Er findet sich finanziell kaum mehr zurecht und muss sich als Texter für ein soziales Hilfswerk verdingen. Die Figur trägt viele Züge des Autors Kurt Guggenheim, der manchen Zeitgenossen in seinem Roman porträtiert hat, u.a. den Schriftsteller und Gründer des Instituts Minerva David S. Steinberg sowie den Physik-Nobelpreisträger Wolfgang Pauli.
Wie kam Torberg zu den Anekdoten der Tante Jolesch? Robert Sedlaczek Recherche bringt überraschende Querverbindungen ans Licht. Der Neffe Franzl war mit Anton Kuh und Egon Erwin Kisch befreundet, seine Frau Louise verließ ihn, um den Komponisten Hanns Eisler, einen Weggefährten Bert Brechts, zu heiraten. Wie ein Puzzle setzt der Autor das Bild der von Torberg beschriebenen „untergegangenen Welt» neu zusammen.
Die französische Klezmer Band „Horse Raddish» hat sich das jüdische Sprichwort, wonach man nie einen Kundigen nach dem Weg fragen soll, da man sich sonst nicht verirren und verlieren könne, als Leitfaden genommen. Traditionelle Klezmer-Musik reichern sie mit Rock’n Roll und Jazz an. Hier sind fünf Künstler am Werk, die mit Leidenschaft und Spielfreude ein reiches musikalisches Erbe in die Gegenwart führen.
Die Arbeiten der Konzeptkünstlerin Elianna Renner setzen sich mit Biographie, kultureller Erinnerung und Geschichte auseinander. Bei ihrer letzten grossen Einzelausstellung „Bobe Mayses» (2013) schöpfte sie in einer Mischung aus Performance, Audio-Installationen, Fotografie und Film auch aus ihrer Familiengeschichte. Indem sie der Wirklichkeit entnommene Momente durch eine subtile Verschiebung fiktionalisiert, spielt sie auf humorvolle und provokative Weise mit den Grenzen von Objektivität und Subjektivität.
Modemacher Menachem Basman stammt aus Tel Aviv, seine Frau Veronika aus dem Kanton Luzern. Beide führen seit 1985 im Stadtkreis 4 in Zürich ihr ModeAtelier, in dem sie ihre farbigen Kreationen im Bereich der Damen- und Herrenmode anbieten. Beide haben sie in Düsseldorf das Modefach erlernt und in Tel Aviv erstmals gemeinsam ein ModeAtelier eröffnet. Basmans Atelier ist ein Treffpunkt, ein Ort der Kreativität und der Gespräche. Eine Begegnung mit dem Modeentwerfer und ein Gespräch mit den Gästen über Mode, Modefotografie, das Leben im Stadtkreis 4 und über Basmans erste Heimat am Mittelmeer. Moderation: Michael Guggenheimer
In ihrem preisgekrönten Roman «Landgericht» erzählt Ursula Krechel die Geschichte eines Juristen, der aus Nazideutschland auswandern musste, den Krieg in Kuba überlebte, um dann nach Deutschland in ein Land zurückzukehren, in dem man ihn nicht mehr wollte. Seine beiden Kinder, die in England Zuflucht gefunden haben, sind ihm entfremdet, seine Frau, die in Deutschland überwintern konnte, hat in der braunen Zeit zu ihm gehalten, kann ihm aber nach seiner Rückkehr nicht wirklich nahe kommen. Ursula Krechels Roman wurde an der Frankfurter Buchmesse im Hernst 2012 mit den Deutschen Buchpreis (DBP) ausgezeichnet!
Ein Gespräch am 25.2.2013 um 19.30 Uhr mit Henry F. Levy in den Ausstellungsäumen der BINZ39 ̶ Sihlquai 133, 8005 Zürich ̶ über sein Leben, sein Kunst-Engagement, seine Haltung zur jungen KünstlerInnengeneration und vieles mehr, geführt von Dorothea Strauss, Vorstandsmitglied OMANUT.
Die Anthologie «Unterbrochenes Gedicht» stellt ein vergessenes Kapitel der Holocaustliteratur vor: die jiddische Literatur der jüdischen Displaced Persons im besetzten Deutschland. Die erstmals ins Deutsche übertragenen Gedichte und Prosastücke zählen zu den frühesten Versuchen jüdischer Überlebender, sich der erlittenen Katastrophe literarisch zu nähern. Die Übersetzer Tamar Lewinsky und Charles Lewinsky lesen die Texte vor. Moderation: Michael Guggenheimer.
Die Romanautoren David Grossman, Chaim Be’er, Assaf Gavron und Leon de Winter haben sich in der letzten Zeit in ihren Werken mit der Zukunft Israels auseinandergesetzt. Ist es möglich, dass Israel eines Tages nicht mehr existieren wird? Könnte es sein, dass das Land kleiner werden wird? Ist denkbar, dass die Wasserverwaltung in Nahost von einem chinesischen Konzern übernommen wird? Wird das israelische Schrifttum nur noch in US-Museen gesammelt werden?
Unter den Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die durch die Jahrhunderte in Zürich Zuflucht suchten und fanden waren vor allem in den Jahren des Ersten und vor dem Zweiten Weltkrieg auch manche jüdische Autoren. Aus den Beständen der Zürcher Zentralbibliothek hat Raffael Keller im Predigerchor eine Ausstellung aus verschiedenen Nachlässen, die in der ZB aufbewahrt werden, zusammengestellt.
Das Animé Trio wurde von den Musikerinnen Noëmi Rueff (Klavier), Angelika Som (Violine) und Katharina Kühne (Cello) im Jahr 2008 gegründet. Französisch animé bedeutet bewegt, beseelt. Und so ist das Spiel der drei Interpretinnen. Die Impressionisten haben animé als musikalische Umschreibung verwendet. Deren Kompositionen bilden den Schwerpunkt der Arbeit von Animé.
Rosies Urgrossvater kennt noch die liebenswert-klugen, traurig-komischen jüdischen Geschichten aus seiner österreichischen Heimat, und er kann sie wunderbar erzählen. Rosie selbst ist ein wildes amerikanisches Grossstadtmädchen, aber etwas Schöneres, als dem Urgrossvater zuzuhören, kann sie sich kaum vorstellen.
Lesewerkstatt mit der in Jerusalem lebenden Übersetzerin Anne Birkenhauer, die für die Verlage Suhrkamp, Hanser, Rowohlt sowie dtv hebräische Romane und Lyrik übersetzt, und gemeinsam mit dem israelischen Autor David Grossman im April mit dem „Albatros Preis“ der Günter Grass-Stiftung ausgezeichnet wird. Im ersten Teil der Veranstaltung wird David Grossmans Roman „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“ stehen, der im Herbst 2009 bei Hanser erschienen ist.