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Jacob Taubes – Professor der Apokalypse

Collegium Helveticum
Schmelzbergstrasse 25
8006 Zürich

Mit diesem Anlass eröffnen wir die Reihe «Omanut-Lectures» in Kooperation mit dem Collegium Helveticum, die am 11. Juli mit dem Religionsphilosophen Daniel Boyarin fortgesetzt wird. Beide Veranstaltungen sind kostenfrei, um Anmeldung wird gebeten unter omanut@omanut.ch oder 044 915 28 63.

Omanut-Lecture mit Jerry Z. Muller;
Moderation: Raphael Gross 

Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Religionswissenschaftler und Philosoph Jacob Taubes, der bei vielen intellektuellen Debatten des 20. Jahrhunderts wie ein Katalysator wirkte und selber wenig publiziert hat, gerade heute wiederentdeckt wird. Er hat so viele Widersprüche in sich vereint, hat mit geistigen und sinnlichen Verführungen so kühn und verwegen gespielt, dass seine schillernde Persönlichkeit ebenso fasziniert wie irritiert. In diesem Sinne passt er gut in unsere Zeit, in der sich Gewissheiten auflösen, politische Systeme ins Wanken geraten und moralische Orientierungen in Zweifel stehen.  Die eben erschienene, sehr umfassende Biografie des amerikanischen Historikers Jerry Z. Muller gibt erstmals minutiös Einblick in Taubes Leben und Denken. Taubes enge Verbindung mit Zürich legt es nahe, ihm ein  Omanut-Doppel zu widmen. 

Die Jacob Taubes-Biografie des amerikanischen Historikers Jerry Z. Muller ist nicht nur eine umfassende Darstellung eines schillernden Lebens, sondern auch die Beschreibung einer flirrenden
Epoche: Die Lebensstationen von Jacob Taubes (1923-1987) –
Wien-Zürich-New York-Jerusalem-Paris-Berlin – waren Brennpunkte modernen Geisteslebens. Der Religionswissenschaftler und Philosophiedozent stürzte sich lustvoll in die aktuellen Debatten und spielte dabei gerne den Advocatus Diaboli. Als für die Sache der linken Studierenden engagierter Universitätsprofessor in Deutschland setzte er sich zugleich für die Rehabilitierung des «Kronjuristen des Dritten Reiches» Carl Schmitt ein, wohl nicht der einzige Grund, weshalb er für Gershom Scholem moralisch unredlich war. Schon früh sehnte sich der zum Rabbiner ausgebildete Taubes nach einem jüdischen Leben ohne Gesetz und berief sich dabei auf den Apostel Paulus. Ob allein psychische Probleme die inneren Widersprüche oder die Spur der Verwüstung in Liebesangelegenheiten zu
erklären vermögen, sei dahingestellt. Taubes charismatische Persönlichkeit hat jedenfalls grosse Anziehungskraft entfaltet und langjährige Wegbegleiterinnen und Freunde wie Lucien Goldmann, Susan Sontag oder Aleida Assmann nachhaltig beeinflusst.

In seinem Vortrag wird Jerry Z. Muller über die Biografie von Jacob Taubes und dessen Zeit in Zürich berichten und im anschliessenden Gespräch mit Raphael Gross über die Widersprüche eines jüdischen Intellektuellen im 20. Jahrhundert sprechen.

Jerry Z. Muller wird seinen Vortrag auf Englisch halten, versteht aber Publikumsfragen auch auf Deutsch. 


Jerry Z. Muller, geboren 1954, ist Professor emeritus für Geschichte an der Katholischen Universität in Amerika in Washington D.C.. Zu seinen Veröffentlichungen gehören u. a. das Buch Capitalism and the Jews (Princeton University Press 2010) sowie zahlreiche Artikel u.a. in Foreign Affairs und der New York Times. Die deutsche Übersetzung von Professor of Apocalypse: The Many Lives of Jacob Taubes (Princeton University Press 2022), die Ende 2022 im Suhrkamp Verlag erschienen ist, setze sich gleich an die Spitze der Sachbuch-Bestenliste.

Raphael Gross,  geboren 1966 in Zürich, ist seit 2017 Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum in Berlin. Davor leitete er als Direktor das Leo Baeck Institute in London (2001-2015), das Jüdische Museum in Frankfurt am Main (2007-2015) sowie das Simon-Dubnow-Institut für jüdische Kultur und Geschichte in Leipzig, wo er gleichzeitig den Lehrstuhl für jüdische Geschichte innehatte (2015-2017). Zu seinen Publikationen gehören die Werke Carl Schmitt und die Juden (Suhrkamp Verlag 2000) und Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral (S. Fischer Verlag 2010).