Oded Fluss beleuchtet einen Brief, von dem
der Vater des Autors nie erfuhr, und Stephan Witschi liest
ICZ
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8001 Zürich
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Franz Kafka (1883-1924) und Karl Kraus (1874-1936) waren als Autoren überragend und stilbildend, doch vom Charakter her sehr unterschiedlich. Der eine war schüchtern und unsicher und wurde erst nach seinem frühen Tod richtig entdeckt. Der andere verhielt sich arrogant und selbstbewusst und versetzte seine Umgebung mit seiner Feder in Angst und Schrecken. Ihre Biografien hingegen ähneln sich: Sowohl Kafka wie Kraus wurden in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Tschechien als Söhne wohlhabender jüdischer Familien geboren. Sie entwickelten sich zu Meistern der deutschen Sprache und werden bis heute als literarische Genies verehrt. Vor allem aber hatten beide einen dominanten Vater, zu dem sie sich antagonistisch verhielten und der ihren literarischen Weg missbilligte.
In einer Omanut-Doppelveranstaltung anlässlich des 100. Todestages von Franz Kafka und des 150. Geburtstages von Karl Kraus steht die komplexe Beziehung der beiden Autoren zu ihrem Vater im Mittelpunkt. Ausgehend von zwei Briefen an und über ihre Väter, die diese nie erhalten haben, soll das Wesen und das Werk der beiden Autoren ergründet werden.
Am 4. September 1897, anlässlich des 64. Geburtstags seines Vaters, schrieb der junge, noch namenlose Karl Kraus einen Brief an seinen älteren Bruder Richard, der eine unbekannte Seite des später gefürchteten und einflussreichen Kritikers und Schriftstellers zeigt. Seinem Bruder klagt er sinngemäss, dass der Vater keinen gebildeten Sohn wolle. Anhand dieses emotionalen Schreibens soll der Mensch Karl Kraus beleuchtet werden: Im Mittelpunkt stehen dabei das Verhältnis zu seiner Familie, insbesondere zu seinem Vater, und zu seiner jüdischen Herkunft sowie seine Haltung zur zionistischen Bewegung, deren Vertreter vergeblich um ihn warben.
Dem Vortrag mit Auszügen aus Kraus Werk geht ein Besuch der von Oded Fluss kuratierten Karl Kraus-Ausstellung mit seltenen Manuskripten, Büchern, Fotografien und des Autors Totenmaske voraus.
Lesung: Stephan Witschi
Oded Fluss, geboren 1981 in Jerusalem. Bibliothekar und Archivar. Co-Leiter der Bibliothek der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich. Sammelt Bücher und schreibt über das jüdische Buch.