Lyceum Club Zürich
Rämistrasse 26
8001 Zürich
Eintritt (inklusiv Imbiss): 50.–/40.– für Omanutmitglieder
Einzelveranstaltung: 30.–/25.– für Omanutmitglieder
Anmeldung unter omanut@omanut.ch oder 044 915 28 63
Das Jüdische bei Marcel Proust ist gemäss dem Autor Andreas Isenschmid tief mit seinem Geburtsort Auteuil verbunden, wo sich seine nähere und weitere jüdische Verwandtschaft regelmässig traf: «Prousts erste zehn intensiv in Auteuil verbrachte Lebensjahre fielen zusammen mit dem goldenen Zeitalter der französischen Juden.» Doch dann folgte auf den Zusammenbruch der Bank Union Générale 1886 die Veröffentlichung von Édouard Drumonts antisemitischem Werk «La France juive» und nahm damit die Stimmung vorweg, die sich dann mit der Affäre Dreyfus gewaltsam manifestierte. Diese Ereignisse fanden Eingang in die ersten Skizzen der «Recherche»: «Die Dreyfus-Affäre führte kurz nach der Zeit, als ich angefangen hatte, zu Madame Swann zu gehen, einen derartigen neuen Wandel herauf, und das Kaleidoskop wirbelte noch einmal seine kleinen bunten Rauten durcheinander. Alles, was jüdisch war, kam nach unten zu liegen, sei es selbst die elegante Dame, und obskure Nationalisten nahmen ihren Platz ein.»
Über Proust und das Jüdische, seinen einzigartigen Stil und die «Recherche» als Geschichtsschreibung unterhält sich der Autor und Literaturkritiker Andreas Isenschmid mit dem Kulturwissenschaftler Thomas Sparr.
DER ELEFANT IM RAUM: DAS JÜDISCHE BEI HEINE UND PROUST
Das Jüdische bei Heinrich Heine (1797 in Düsseldorf – 1856 in Paris) und Marcel Proust (1871 in Paris – 1922 ebenda) auszumachen, ist nicht einfach, da Ambivalenz das Werk und die jüdische Identität der zwei Autoren kennzeichnet. Gleichwohl lösten bei beiden antisemitische Ausschreitungen augenfällige politische Reaktionen aus: Bei Heine waren es die pogromartigen Hep-Hep-Krawalle, die ihn zum Gedicht an «Edom», also an seine christliche Umgebung, veranlassten:
An Edom!
Ein Jahrtausend schon und länger
Dulden wir uns brüderlich;
Du, du duldest, daß ich atme,
Daß du rasest, dulde ich.
Manchmal nur, in dunklen Zeiten,
Ward dir wunderlich zumut,
Und die liebefrommen Tätzchen
Färbtest du mit meinem Blut.
Jetzt wird unsre Freundschaft fester,
Und noch täglich nimmt sie zu;
Denn ich selbst begann zu rasen,
Und ich werde fast wie du!
Inwiefern sich Heinrich Heine zu politischer «Raserei» hinreissen liess, ist schwierig festzulegen, bei Marcel Proust hingegen führte die Affäre Dreyfus zu einer kurzen aktivistischen Phase. Auf jeden Fall sind Assimilation und Antisemitismus Themen, die das Wirken der zwei Dichter durchdringen. Und es finden sich bei Heine und Proust weitere Gemeinsamkeiten: Beide waren regelmässige Besucher literarischer Salons und für beide war das Leben in Paris eine prägende Erfahrung. Hätten sich ihre Lebensdaten überschnitten, wären sie sich wahrscheinlich bei einem der beliebten Diners im Hause von Giacomo Meyerbeer begegnet. Dort verkehrte nämlich nicht nur Heinrich Heine, sondern auch Adolphe Crémieux, der Trauzeuge von Marcel Prousts Eltern. Wie dem auch sei, das Omanut-Doppel über Heine und Proust soll Resonanzen zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Werken anklingen lassen und zu einer etwas anderen Auseinandersetzung mit ihnen einladen.