Mit Vera Bauer (Rezitation), Ingeborg Gleichauf (Biografin)
und David Goldzycher (Violine)
Paulus Akademie
Pfingstweidstrasse 28
8005 Zürich
Tickets: 30.-/20.- (für Omanutmitglieder)
Anmeldung bis 23.3.23 über www.omanut.ch oder 044 915 28 63
Wie ihr Cousin Walter Benjamin wurde Gertrud Käthe Chodziesner, die unter dem Pseudonym Gertrud Kolmar publizierte, in Berlin geboren. Aber nicht die Stadt, sondern die Natur nährte von früh an ihre dichterische Intuition. Sie fühlte sich von Pflanzen und Tieren angezogen und beseelte sie in ihren Gedichten:
So laß uns fliehn
Zu den sinnenden Feldern, die freundlich mit Blumen und
Gras unsere wandernden Füße trösten,
An den Strom, der auf seinem Rücken geduldig wuchtende
Bürden, schwere, güterstrotzende Schiffe trägt,
Zu den Tieren des Waldes, die nicht übelreden.
Diese Zeilen aus dem «Engel im Walde» machen die Bewunderung verständlich, die Nelly Sachs oder Jacob Picard für die Dichtung Gertrud Kolmars empfanden. Doch ihre ersten umfangreichen Veröffentlichungen und ihr wachsender Ruhm fielen zusammen mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus. Als Erzieherin in Geduld geübt, pflegte sie die Mutter bis zu deren Tod im Jahre 1930. Danach besorgte sie dem Vater den Haushalt, während die restliche Familie rechtzeitig ins Ausland fliehen konnte. Die Schwester Hilde in der Schweiz war ihr eine wichtige Briefpartnerin, der sie gerade noch rechtzeitig ihre Manuskripte zukommen lassen konnte. Nach zwanzig Monaten Zwangsarbeit in einer Rüstungsfabrik wurde Gertrud Kolmar im März 1943 im Verlauf der sogenannten Fabrikaktion nach Auschwitz deportiert. Ihr kurzes Leben war bereits vor der nationalsozialistischen Verfolgung nicht einfach: eine frühe Abtreibung, unmögliche Liebesbeziehung und eine selbstgewählte Einsamkeit verliehen ihrem Leben und Schreiben eine dunkle Aura. Doch ihre Liebe für den Tanz und das grosse Interesse für historische Figuren wie Napoleon, Robespierre oder Tiberius gaben ihrem Werk auch etwas Verwegenes, Geheimnisvolles. Sie flüchtete sich keineswegs in Traumwelten, sondern sah klaren Auges, was sie erwartete: «Ein Stiefeltritt, ein Knüppelstreich im dritten, christlich-deutschen Reich», schreibt sie in ihrem Gedicht Anno Domini 1933. Das Datum ihrer Ermordung ist unbekannt, doch ihr Oeuvre ist greifbar und harrt noch immer einer umfassenden Würdigung und Wirkung.
Die Literaturwissenschaftlerin Ingeborg Gleichauf stellt im Gespräch mit Csongor Kozma ihre eben erschienene Kolmar-Biografie Alles ist seltsam in der Welt (Aviva Verlag, 2023) vor. Danach erwecken Vera Bauer und David Goldzycher in einer musikalischen Textcollage die lyrische Welt Gertrud Kolmars zum Leben.
Diese Veranstaltung ist eine Zusammenarbeit zwischen Omanut und der Paulus Akademie.