Fränkel als Gottfried Keller-Herausgeber Ausführungen der Zürcher Germanistik-Professorin Ursula Amrein

Peter Bichsel Fine Books
Oberdorfstrasse 10
8001 Zürich

 

Jonas Fränkel hat als Herausgeber von Gottfried Kellers Sämtlichen Werken höchstes Lob und vernichtende Kritik erfahren. Als er 1926 sein ambitioniertes Projekt lancierte, war Walter Benjamin rundum begeistert. „Philologisch kühn“ sei die Arbeit, die Lektüre des Anhangs mit dem klug sortierten Variantenverzeichnis ein reines „Vergnügen“, schrieb er in seiner Rezension. Die Zürcher Regierung hingegen distanzierte sich zusehends von der Arbeit des in Bern lehrenden jüdischen Privatdozenten und entzieht ihm 1942 die Herausgeberschaft.

Wie konnte es so weit kommen? Und warum wird die Philologie in den 1930er Jahren zum heiss umstrittenen Politikum? Ursula Amrein, Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Zürich und Gottfried Keller-Spezialistin, geht in ihren Ausführungen diesen Fragen nach. Die Konflikte rund um Fränkels Keller-Edition eskalieren, als Gottfried Keller mit der geistigen Landesverteidigung zum Nationaldichter schlechthin avancierte. Fränkel und seine Gegner berufen sich gleichermassen auf ihn. Doch Fränkel unterliegt. Verdeckt, aber auch ganz offen wird er als Jude angegriffen. Als „nichtarischer Herausgeber“ entstelle er das Werk des Dichters und verunmögliche dessen Vertrieb in Deutschland.

Die Veranstaltung richtet den Blick auf Fränkels prekäre Position im Wissenschaftsbetrieb seiner Zeit und erschliesst damit auch ein wichtiges Kapitel der Schweizer Kulturpolitik. Schaut man von heute auf Fränkels Engagement für Keller zurück, so sind seine Verdienste unbestritten. Er hat der Keller-Forschung wichtige Impulse gegeben und ihr ein tragfähiges Fundament geschaffen. An konkreten Beispielen, die im Antiquariat von Peter Bichsel greifbar sind, lässt sich das exemplarisch nachvollziehen.

 

Diese Veranstaltung ist eine Zusammenarbeit zwischen Omanut und Peter Bichsel Fine Books.

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