Freitag, 25. Dezember 2020
«Am 21.9. 1968 überschritten wir die Schweizer Grenze, und nachdem wir drei Tage im Flüchtlingslager in Buchs verbracht hatten, wurden wir in die Gemeinde Stäfa überführt. Gemeinde Stäfa nahm uns auf und gab uns eine Wohngelegenheit zuerst im Hotel Rössli, später im Bürgerheim.
Inzwischen erhielten wir das Asylrecht, meine Mutter trat ihre Stelle in der Schweizer Firma Alusuisse in Zürich an, ich trat in die erste Klasse des Literargymasiums Zürichberg ein.
Drei Monate später zogen wir in unsere eigene Mietwohnung in Uerikon ein.
Meine anfänglichen Sprachschwierigkeiten erwiesen sich bald als überwunden, und ich fand leicht Kontakt zu meinen Schweizer Schulkollegen, von denen einige bis heute meine besten Freunde geblieben sind.»
So beschreibt der 1954 in Prag geborene Michael Zochow seine Ankunft in der Schweiz und schliesst den 1975 verfassten Lebenslauf mit seiner aktuellen journalistischen Tätigkeit bei den Luzerner Neuesten Nachrichten ab. Aus dem mit Sprachschwierigkeiten kämpfenden Jüngling war ein Sprachkünstler geworden, der für sein Theaterstück «Drei Sterne über dem Baldachin» 1991 mit dem Welti-Preis ausgezeichnet wurde, nachdem er schon ein Jahr zuvor mit dem Gerhart-Hauptmann-Preis der Freien Volksbühne eine renommierte Auszeichnung für Dramatiker erhalten hatte. Damals lebte er bereits über ein Jahrzehnt in Berlin, wo er viel zu früh im März 1992 verstarb. Seither ist es um den Autor, dessen Nachlass in der Zentralbibliothek Zürich liegt, ruhig geworden. Die Hörspielfassung von «Drei Sterne über dem Baldachin» in der Regie von Katia Früh (Radio DRS, 1991) und ein Porträt Michael Zochows von Felix Schneider soll den tschechisch-schweizerischen Künstler, der sich in seinen Werken immer wieder mit seiner jüdischen Identität auseinandersetze, ab dem 25. Dezember auf Omanut-Radio in Erinnerung rufen.