Gertrud Kolmar – Porträt einer jüdischen Dichterin (1894-1943)

Wie ihr Cousin Walter Benjamin wurde Gertrud Käthe Chodziesner, die unter dem Pseudonym Gertrud Kolmar publizierte, in Berlin geboren. Aber nicht die Stadt, sondern die Natur nährte von früh an ihre dichterische Intuition. Sie fühlte sich von Pflanzen und Tieren angezogen und beseelte sie in ihren Gedichten:

So laß uns fliehn
Zu den sinnenden Feldern, die freundlich mit Blumen und
Gras unsere wandernden Füße trösten,
An den Strom, der auf seinem Rücken geduldig wuchtende
Bürden, schwere, güterstrotzende Schiffe trägt,
Zu den Tieren des Waldes, die nicht übelreden.

«Dürfen wir eintreten, Raphael Selig»? Buchvernissage von Irène Speisers «Stimmung für Violoncello solo»

«Als ich das Geschäft verlasse, Cellokasten am Rücken, der Dreisterne-Bogen gut versorgt, ist meine Tagesenergie aufgelöst. Ich begreife: Mein Kopf liegt noch immer hoch in den Regungen der Bogenstriche, prall gefüllt von cellistischem Klang. Ich muss ihn zurückholen, hinein in den Tag». Der Protagonist von Irène Speisers Buch «Stimmung für Violoncello solo», Gilles Bastien, erlebt einen innigen musikalischen Moment beim Kauf eines Cello-Bogens in einem Laden in der Nähe der Pariser Gare St. Lazare. Auch Raphael Selig, der seit einigen Jahren das Familienunternehmen «Antiquités Ségal & Selig» leitet, hat in Basel ein schönes Geschäft für erlesene Objekte an der St. Alban-Vorstadt 17 eingerichtet.

Jacob Taubes – Professor der Apokalypse

Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Religionswissenschaftler und Philosoph Jacob Taubes, der bei vielen intellektuellen Debatten des 20. Jahrhunderts wie ein Katalysator wirkte und selber wenig publiziert hat, gerade heute wiederentdeckt wird. Er hat so viele Widersprüche in sich vereint, hat mit geistigen und sinnlichen Verführungen so kühn und verwegen gespielt, dass seine schillernde Persönlichkeit ebenso fasziniert wie irritiert. In diesem Sinne passt er gut in unsere Zeit, in der sich Gewissheiten auflösen, politische Systeme ins Wanken geraten und moralische Orientierungen in Zweifel stehen. Die eben erschienene, sehr umfassende Biografie des amerikanischen Historikers Jerry Z. Muller gibt erstmals minutiös Einblick in Taubes Leben und Denken. Taubes enge Verbindung mit Zürich legt es nahe, ihm ein Omanut-Doppel zu widmen.