Zum Inhalt

Führung über Mittag

1911 engagierte die jüdische Pädagogin Eugenie Schwarzwald Oskar Kokoschka als Zeichenlehrer an ihr Wiener Mädchen-gymnasium. Für Musik hatte sie Arnold Schönberg und Egon Wellesz angestellt. Im Wissen um diese Zusammenhänge wundert es wenig, dass in der Zürcher Kokoschka-Retrospektive nicht nur Porträts der beiden Kollegen, sondern auch von Hermann.

Schwarzwald hängen. Das Ehepaar Herwarth Walden (eigentlich Georg Lewin) und Else Lasker-Schüler spielte ebenfalls eine wichtige Rolle am Anfang von Kokoschkas Karriere, was dessen vielzähligen Illustrationen für Waldens Zeitschrift „Der Sturm» belegen. Aber die reiche Ausstellung bringt auch unbekannte Geschichten ans Licht: Die gewichtige Kunstsammlung des 1936 von Kokoschka porträtierten Zuckerfabrikanten Ferdinand Bloch-Bauer wurde nach dessen Flucht nach Zürich, wo er 1945 verarmt starb, von den Nazis liquidiert. Apropos Zürich: Auch die Brüder Konrad und Walter Feilchenfeldt hat Kokoschka gemalt. Zu diesen und vielen weiteren Bildern wird Cathérine Hug die Hintergründe beleuchten. Denn wer weiss schon, dass die rechte Hand, die das Kind Fred Goldman auf Kokoschkas Werk von 1909 hält, dem Auftragsgeber von Adoph Loos› wegweisendem Haus am Michaelerplatz gehört?

In den Räumlichkeiten des Kunsthauses entfaltet sich also nicht nur das faszinierende Werk eines der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts, sondern auch ein Kapitel europäischer Kulturgeschichte, das ohne das jüdische Bürgertum so nicht denkbar gewesen wäre.

Weitere Informationen zur Ausstellung „Oskar Kokoschka. Eine Retrospektive» erfahren Sie unter www.kunsthaus.ch.