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Der Schmerz, das Schweigen und das Schreiben

Im Mai 1942 versuchen fünf jüdische Frauen aus Berlin in Hohenems über die Grenze in die rettende Schweiz zu gelangen. Die Flucht misslingt und bringt vier der Frauen den Tod. Eine von ihnen ist Marie Winter. Ihr einziges Kind Ilse lebt schon seit 1935 in Basel, wohin ihr die Mutter von 1938 bis zu ihrer Ermordung unzählige Briefe schreibt, die Zeugnis einer schmerzvollen Mutter- Tochter-Beziehung sind. Bei ihrem Tod hinterlässt Ilse «zwei Schuhkartons voller Geheimnisse», die ihr bisher ahnungsloser Sohn, der Publizist Gabriel Heim, in seinem Buch «Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus» (Quadriga Verlag, Berlin 2013) in eine beklemmende Geschichte verwandelt.

Dokumente und die Entdeckung eines verdrängten Stücks Familiengeschichte spielen auch in Bettina Spoerris Romandebut «Konzert für die Unerschrockenen» (Braumüller Verlag, Wien 2013) eine wichtige Rolle. Die 35-jährige Anna hat die Tagebücher ihrer jüdischen Grosstante Leah geerbt, einer Cellistin, die sich nach dem Holocaust in London eine neue Existenz aufgebaut hat. Die Konfrontation mit der Vergangenheit entlarvt nicht nur eine generationenübergreifende Front der Kälte und des Schweigens, sondern lässt auch zerrissen geglaubte Familienbande wieder stärker werden und schafft Raum für schon verloren geglaubte Nähe.

Unter der Leitung von Hanno Loewy, dem Direktor des jüdischen Museums Hohenems, treten die beiden Autoren ins Gespräch und lesen Passagen aus ihren Werken.

Gabriel Heim, geboren 1950, war viele Jahre als freiberuflicher Autor und Dokumentarfilm- Produzent tätig, bevor er als Auslandsredakteur für das Schweizer Fernsehen aus den USA und dem Nahen Osten berichtete. 2001 wurde er Programmchef beim WDR-Fernsehen, später Fernsehdirektor beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Gabriel Heim lebt heute in Basel.

Bettina Spoerri, geboren 1968, studierte Literatur, Musikwissenschaft und Philosophie in Zürich, Berlin und Paris. Spoerri arbeitet als Literatur- und Filmkritikerin für die NZZ. Sie hat literarische Veranstaltungen konzipiert, die Solothurner Literaturtage geleitet und ist heute die Leiterin des Literaturhauses in Lenzburg. Bettina Spoerri lebt in Zürich.

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