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«In der Sowjetnacht werde ich beten / für das selige sinnlose Wort»

Sonntag, 1. November 2020, 17.00 Uhr

«In der Sowjetnacht werde ich beten / für das selige sinnlose Wort»

Ralph Dutli liest Ossip Mandelstam und wird musikalisch
von der Violinistin Marina Yakovleva begleitet

Ausstellungsraum der Stiftung Arina Kowner
Oberdorfstrasse 2, 1. OG,
8001 Zürich

Tickets: 30.-/20.- für Omanutmitglieder
Platzzahl beschränkt; verbindliche Reservation:
omanut@omanut.ch oder 044 915 28 63

Der 1891 in Warschau geborene, 1938 im Gulag ums Leben gekommene russisch-jüdische Dichter Ossip Mandelstam zählt zu den bedeutendsten lyrischen Stimmen des 20. Jahrhunderts. Der Literaturnobelpreisträger Joseph Brodsky bezeichnete ihn als «modernen Orpheus». Als politisch Verfolgter, der sein entlarvendes Epigramm auf den «Seelenverderber» Stalin mit dem Leben bezahlte, verdankt er seinen Weltruhm auch den Memoiren «Das Jahrhundert der Wölfe» seiner Witwe Nadeschda Mandelstam, die seine Gedichte auswendig lernte, um sie vor dem Zugriff von Stalins Häschern zu bewahren. Mitten in den Revolutionswirren schrieb er: «In der Sowjetnacht werde ich beten / für das selige sinnlose Wort». Heute gilt er als Klassiker der russischen Moderne. Mandelstams Beziehung zum Judentum war komplex und wechselhaft, mit Phasen der Distanznahme und der Wiederannäherung. In seiner aus der Aussenseiterposition verfassten, anti-stalinistischen «Vierten Prosa» schrieb er, er sei «stolz auf den ehrenvollen Titel eines Juden», auf «mein Blut, schwer geworden vom Erbe der Schafzüchter, Patriarchen und Könige».

Ralph Dutli liest ausgewählte Texte aus der 1985 bis 2000 erschienenen Mandelstam-Ausgabe, aber auch aus den seither aufgetauchten Jugendgedichten und aus Texten, die der Musik gewidmet sind. Dazwischen erklingen musikalische Intermezzi von Johann Sebastian Bach und Sergei Prokofjew, dargeboten vom Marina Yakovleva, welche einer Musikerfamilie aus St. Petersburg entstammt.

Ralph Dutli, geboren 1954 in Schaffhausen, studierte von 1974-1980 in Zürich und Paris Romanistik und Russistik und promovierte 1984. Während 14 Jahren lebte er in Paris, bevor er 1994 als freier Schriftsteller nach Heidelberg zog. Er ist Romanautor, Lyriker, Essayist, Übersetzer und Herausgeber der zehnbändigen Ossip-Mandelstam-Gesamtausgabe im Ammann Verlag, wo auch seine Mandelstam-Biographie «Meine Zeit, mein Tier» (2003) erschienen ist. Für seinen Roman «Soutines letzte Fahrt» wurde er 2013 sowohl für den Schweizer als auch für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Marina Yakovleva spielte bereits als Fünfjährige Geige und besuchte die Akademie für Hochbegabte. Schon als Jugendliche trat sie solistisch auf und ist heute im Orchester des Zürcher Opernhauses und kammermusikalisch tätig.

Diese Veranstaltung ist eine Zusammenarbeit zwischen Omanut und der Stiftung
Arina Kowner.